Die Krönung von Charles III. erzählt von einem bescheidenen Gott
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Ein befreundeter Prälat sagte mir einmal augenzwinkernd: Wo kämen wir denn hin, wenn wir alles glauben, was wir in der Kirche singen? Tatsächlich, manchmal vergisst man, dass die Liturgie echt ist und kein Schauspiel, dass das Sprechen des Glaubensbekenntnisses etwas anderes ist als das Aufsagen eines auswendiggelernten Gedichts.
Am vergangenen Samstag gab es im Fernsehen mit der Krönung Charles III. eine Inszenierung zu sehen, bei der man sich auch immer wieder sagen musste: Das ist kein Kostümfilm, das ist echt. Jedes Wort, jede Geste, jeder Ritus war einerseits von der Tradition vorgegeben, andererseits aber eben so gemeint wie gesagt beziehungsweise ausgeführt. Der eindrucksvollste Ritus war wohl die Salbung, obwohl – oder weil – man sie nicht sehen konnte. Sowohl den Anwesenden in der Westminster Abbey als auch dem Fernsehpublikum in aller Welt blieb verborgen, was da hinter dem Paravent geschah. Es muss ein äußerst intimer Moment gewesen sein, in dem der König mehr oder weniger allein vor seinem Gott stand und ganz persönlich und körperlich erfahren hat: Du, Charles, bist gemeint, es geht wirklich um dich.
Dieser Zuspruch, den die Kirche an bestimmten Knotenpunkten des Lebens in Form der Salbung spendet, erzählt von einem liebenden Gott, von einem Gott, der dem Menschen Würde verleiht – und ja, gewissermaßen sogar von einem bescheidenen Gott. Denn immerhin teilt dieser Gott seine Würde mit uns. Ob seine Repräsentanten daher eindrucksvoll aufragende Kopfbedeckungen tragen müssen, könnte man sich gelegentlich auch mal fragen. Jedenfalls: In der Taufe sind wir alle mit Christus zum König, Priester und Propheten gesalbt worden. Und in der Liturgie "nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird". So hat es das Konzil formuliert und gemeint ist das, was wir sonntags tun. Vielleicht also sollte man das mal bewusster betrachten und prüfen, ob man das wirklich alles so glaubt, was man da singt und betet.
Die Autorin
Claudia Auffenberg ist Chefredakteurin des Paderborner Bistumsmagazins "Der Dom".
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.