Pastoraltheologe: Erstkommunionkatechese oft Bild für Lage der Kirche
Gibt es heutzutage noch gute Erstkommunionkatechese? Sie gelingt da, wo Begegnungsorte entstehen – und zwar nicht nur für Kinder, sondern auch für die Eltern, sagt Bernd Hillebrand. Der Grazer Pastoraltheologe beschäftigt sich mit dem Thema Erstkommunionvorbereitung und hat unter anderem ein Begleitbuch für Familien mitherausgegeben. Im Interview spricht er über zunehmende Probleme in der Erstkommunionkatechese, wie man diese beheben könnte und was eine lebendige Vorbereitung braucht.
Frage: Herr Hillebrand, wie gut oder schlecht vorbereitet empfangen Kinder heutzutage die Erstkommunion?
Hillebrand: Die Frage ist, woran ich das messe. Früher etwa wurde die Erstkommunion nicht selten als äußeres Geschehen gefeiert. Auch in meiner Kindheit standen manchmal die Kleider eher im Fokus als alles andere. Verändert hat sich, dass Eltern oder andere Familienbezüge keinen selbstverständlichen Kontakt mehr mit dem Glauben haben. Insofern fehlt den Kindern ein Erfahrungsbezug. Eltern haben keine Erfahrung mit Kirche, und so haben oft auch Kinder keine Erfahrung mit Kirche. Die Herausforderung besteht heute, dass Eltern und Kinder eine gute Erfahrung mit Kirche in der Vorbereitung machen können – dann war die Erstkommunion gut.
Frage: Was macht aus Ihrer Sicht gute Erstkommunionkatechese aus?
Hillebrand: Für mich ist der entscheidende Punkt, ob Kinder in den Begegnungen in ein Beziehungsgeschehen gekommen sind: untereinander, zu den Bezugspersonen – und auch in einer Gemeinschaft, in der Jesus Christus als einer, der sie berührt, der Begleiter des Lebens ist, für sie eine Person geworden ist, die sie fasziniert und dessen Geschichten für sie zu Leitgeschichten geworden sind. Wo solche Begegnungsorte entstehen, findet eine gute Vorbereitung statt.
Frage: Und inhaltlich?
Hillebrand: Primär geht es aus meiner Sicht gar nicht darum, dass irgendwelche Inhalte transportiert werden, sondern dass in diesem Begegnungsgeschehen sich Inhalte formieren. Das heißt nicht, dass es nicht darum geht, auch das Vaterunser zu lernen. Das Entscheidende ist aber nicht, dass sie es auswendig lernen, sondern dass sie es in einer Gemeinschaft erfahren und es damit etwas Intrinsisches werden kann. Sie sollen auf ästhetische, spielerische Weise Zugang zu den christlichen Glaubenswahrheiten bekommen.
Frage: Wo sehen Sie in der Erstkommunionvorbereitung die größten Baustellen?
Hillebrand: Ich glaube, dass es viele Vorbereitungen gibt, die eine kommunikative Einbahnstraße sind, die keinen Dialog und Austausch ermöglichen. Eine zweite Baustelle besteht darin, dass Erstkommunionkatechese vielmals auf Liturgievorbereitung verengt wird. Das hat auch damit zu tun, dass pastorale Mitarbeiter für viele Bereiche zuständig, dadurch überfordert sind und wenig Zeit haben. Dann fragen sie sich, wie sie die Erstkommunionvorbereitung irgendwie über die Bühne bekommen. Beispielsweise bergen sogenannte "Wegegottesdienste" die Gefahr, dass kein Dialog und kein Austausch der eigenen Fragen stattfinden. Wenn wir aber sagen, die Kirche soll synodaler werden, braucht es umso mehr gegenseitiges Hören und einen Raum, wo Erfahrung entstehen kann.
Frage: Es heißt ja oft, die Erstkommunionkatechese befinde sich in einer Krise. Würden Sie das auch so unterschreiben?
Hillebrand: Vielleicht ist die Erstkommunionvorbereitung einfach nur ein Abbild der gesamten aktuellen kirchlichen Situation. Wir bereiten Kinder auf eine Liturgieform vor, die sie das nächste Mal vielleicht erst wieder nach vier oder sechs Wochen erleben können. Wir können ja aufgrund von Priestermangel keine regelmäßigen Eucharistiefeiern mehr garantieren. Daher muss die Erstkommunion vielmehr im Kontext der gesamten Pastoral gesehen werden. Wo das nicht geschieht, also wo Kirche nur auf Liturgie fokussiert ist und es kein pastorales Leben, keine Begegnungsorte mehr gibt, wo Hauptamtliche lieber selber alles machen, die Kirchengemeinde eher verwalten und Engagierte keine Möglichkeiten haben, sich einzubringen, dort ist Erstkommunion tot, wie auch die Kirchengemeine letztendlich leblos ist, weil das Wirken der Kirche mit den Lebensfragen der Menschen nichts mehr zu tun hat und wir mit diesen Menschen in der Vorbereitung irgendwas machen, wodurch kein Kontakt zu ihnen entsteht.
Frage: Was braucht es dann für mehr Lebendigkeit?
Hillebrand: Lebendig wird es dadurch, dass möglichst viele Leute beteiligt werden, in erster Linie die Familie. Das bedeutet nicht, dass die Familie plötzlich das übernimmt, was eigentlich die Kirchengemeinde übernehmen sollte. Die Frage ist, wie man mit den Eltern, die vielleicht keinen Kontakt haben mit Kirche, und ihren Themen in Beziehung kommt. Wo die Familien im Blick sind, wo Eltern befähigt werden, über Leben im Glauben mit ihren Kindern zu reden, dort ist auch Erstkommunionvorbereitung lebendig. Sie muss also viel mehr die Erwachsenen in den Blick nehmen: Bietet die Gemeinde Möglichkeiten, dass Eltern über ihre Fragen mit ihr ins Gespräch kommen, bietet sie die Möglichkeit, dass Kinder und Eltern miteinander ins Gespräch kommen, wo Eltern zum Beispiel lernen, ihr Kind zu segnen? Ich glaube, wir verhindern eine richtig nachhaltige Erstkommunionvorbereitung, wenn wir nicht mit Eltern arbeiten.
Frage: Das klingt zwar nach einem hehren Ziel. Aber wie will man eine Familie einbinden, wenn sie kein allzu großes religiöses Interesse hat?
Hillebrand: Sie haben vielleicht kein großes Interesse an Kirche, aber sie haben Interesse, mit Menschen über Leben und Glauben zu sprechen. Entscheidend ist daher, wie beziehungs- und kontaktfähig pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Ehrenamtliche sind. Natürlich muss man dann auch sehen, das von 50 Elternpaaren nur 20 oder 30 regelmäßig zu den Elterngesprächen kommen. Aber ich sage immer zu ihnen, dass sie aus einer eiligen Zeit eine heilige Zeit machen sollen. Und das machen sie auch: Meine Erfahrung ist, dass zwei Drittel darauf achten, abends vor dem Schlafengehen nochmal mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, eine Geschichte lesen oder ein kleines Ritual durchführen. Dazu haben wir ja auch dieses Familien-Beziehungsbuch entwickelt, das Eltern – man kann eigentlich auch sagen, unabhängig von Erstkommunionvorbereitung – helfen soll, mit ihren Kindern über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Dafür braucht es eben Stützen.
„Wir bereiten Kinder auf eine Liturgieform vor, die sie das nächste Mal vielleicht erst wieder nach vier oder sechs Wochen erleben können. Wir können ja aufgrund von Priestermangel keine regelmäßigen Eucharistiefeiern mehr garantieren. Daher muss die Erstkommunion vielmehr im Kontext der gesamten Pastoral gesehen werden.“
Frage: Was ist dann der Rahmen, den die Gemeinde bieten muss?
Hillebrand: Es muss "Hotspots" für die Eltern geben, wo die Themen, die sie beschäftigen, einen Raum bekommen. So bekommen sie eine Stabilisierung und trauen auch mit ihren Kindern über existenzielle Themen zu sprechen. Vielleicht braucht es da auch mehr Pluralität und Kreativität: das kann etwas Sportliches sein, etwas Handwerkliches, etwas Musikalisches, mit dem man die Verbindung zur Spiritualität herstellt. Es braucht etwas, bei dem die Eltern wirklich ernstgenommen werden. Es braucht sicher auch ein Familienwochenende in der Kirchengemeinde. Erstkommunioneltern oder -familien brauchen Orte in der Gemeinde, in denen sie sich ausprobieren können, um auch zu Hause Erfahrungsräume zu eröffnen und über die Themen des Lebens zu sprechen.
Frage: Vielleicht etwas weg von den Eltern: Muss man Erstkommunionvorbereitung der Kinder heutzutage insgesamt individueller denken? Das heißt: Können Kinder auch einzeln und nicht in der großen Gruppe zur Katechese in der Gemeinde kommen?
Hillebrand: In vielen Gemeinden funktionieren diese festen, regelmäßigen Gruppen immer noch wunderbar. Inzwischen gibt es natürlich auch viele "flüssigere" Formen. Deren Kriterium muss aber sein, dass Begegnung zustande kommt. Das heißt, es braucht Zeit, es braucht Wiederholung, damit eben Beziehungsnetze entstehen. Kinder leben nicht nur davon, dass sie Dinge lernen, sondern schöpfen daraus Kraft, wenn etwas Spaß macht, das man mit anderen erlebt. Ich glaube deshalb, es braucht irgendwelche Treffen, die "Hotspots" des Lebens und des Glaubens sind. Und die können, wie Sie es andeuten, flexiblere Formen haben: Die einen treffen sich lieber an einem ganzen Wochenende, die anderen an einem Nachmittag. Und in diese Richtung geht es auch.
Frage: Wie ist in so einem Konzept die Rolle der Hauptamtlichen zu verstehen?
Hillebrand: Sie müssen ein Netzwerk von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aufbauen und pflegen, damit eben diese Beziehungs- und Erfahrungsräume entstehen. Priester und pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Regel für viele Gemeinden zuständig. Und bevor sie deshalb einfach nur schauen, wie sie die Erstkommunionvorbereitung "durchziehen", sollten sie auf ein Netzwerk zurückgreifen. Das ist überhaupt mein pastoraler Ansatz für die Kirche, dass wir in Netzwerken denken oder Netze mit anderen Playern des sozialen Lebens knüpfen. Im Blick auf die Erstkommunionvorbereitung könnte das heißen: Warum nicht auch mit dem Sportverein oder dem Musikverein zusammenarbeiten? Es würde sicher Spaß machen, aus dieser binnenkirchlichen Verengung herauszukommen.
Buchhinweis
Bernd Hillebrand u.a.: Gott mit neuen Augen sehen. Wege zur Erstkommunion. FamilienBeziehungsBuch, Verlag Kösel 2022 (komplett überarbeitete Neuausgabe), 160 Seiten, ISBN: 978-3-466-36931-7, 20 Euro.