Nach schlechtem Abschneiden: Benediktiner wünscht sich Reform beim ESC
Der Benediktiner Benedikt Müller aus der Abtei Königsmünster in Meschede ist Eurovision-Song-Contest-Experte. Vor wenigen Jahren saß er sogar selbst einmal in der Jury des deutschen Vorentscheids. Wie er den Auftritt der deutschen Band "Lord of The Lost" in Liverpool bewertet und was er im nächsten Jahr anders machen würde, erklärt er im Interview mit katholisch.de.
Frage: Bruder Benedikt, haben Sie am Wochenende den Eurovision Song Contest geschaut?
Bruder Benedikt: Natürlich, wie jedes Jahr. Seit meiner Kindheit bin ich ESC-Fan und habe den Songcontest bislang nur zweimal versäumt. Ich finde, das ist ein so großer Event. Das sieht man auch an den vielen Reaktionen, die dieser europäische Wettbewerb bei den Menschen auslöst.
Frage: Warum schauen Sie sich den ESC an?
Bruder Benedikt: Ich mag die Musik in verschiedenen Sprachen. Für mich ist der Songcontest auch Teil meines Verständnisses von Europa, das, was Europa ausmacht. Durch den Songcontest habe ich damals in den 1980er Jahren quasi Erdkunde gelernt. Das war Bildungsfernsehen für mich. Ich habe durch die Postcard-Filme schöne Bilder aus Island, aus Spanien oder Malta gesehen. Wo sonst hätte ich damals solche Bilder sehen können? Ich finde es wichtig, auf diese friedliche Weise Europa als Einheit in der Vielfalt wahrzunehmen. Europa ist bunt, jede Band leistet beim ESC dazu ihren Beitrag. Ich bin auch dagegen, dass alle Teilnehmerbands nur noch auf Englisch singen. Europa hat so viele verschiedene Kulturen und Sprachen zu bieten und der ESC drückt das aus.
Frage: Wie haben Sie dieses Jahr den ESC verfolgt? Allein auf der Zelle oder zusammen mit den Mitbrüdern vor dem Klosterfernseher?
Bruder Benedikt: Normalerweise schaue ich den ESC zusammen mit den anderen Mönchen am Fernsehen. Dieses Jahr war das anders. Ich hatte nicht so eine gute Stimmung, daher habe ich ihn mir allein auf dem Handy angeschaut. Ich fühlte mich aber verbunden mit den vielen ESC-Freunden.
Frage: Sie selbst waren auch einmal als Jurymitglied bei einem ESC dabei. Aus Ihrer Sicht, wie fanden Sie den Beitrag der deutschen Rockband "Lord of the Lost" wirklich? War er tatsächlich nicht gut?
Bruder Benedikt: Ich fand den Auftritt sehr gut und gelungen. Ich mag die Band "Lord of the Lost". So ein Lied ist jedoch immer Geschmacksache. Aber der Titel "Blood and Glitter" ist spirituell aufgeladen. Da sind auch der Karfreitag und der Ostersonntag mitgemeint. Wir werden hinfallen und aufstehen, in den Himmel steigen. Das habe ich herausgehört. Das Lied hatte so viele mystische Elemente und spirituelle Aussagen. Es geht in dem Song auch um Heilige und Sünder. Den Text habe ich mir natürlich genau angeschaut. Aber schon alleine wegen ihrer außergewöhnlichen gesanglichen Darbietung hätte diese Rockband besser punkten können. Vor einigen Jahren wäre es vermutlich besser angekommen. Ich denke, es war vor allem ein Juryproblem. Da sitzen Leute, die allesamt aus der Musikszene kommen. Das heißt, die tendieren in ihrer Bewertung eher in dieselbe Richtung. Früher waren die Jurymitglieder noch vielfältiger und das Ergebnis damit auch anders. Man hat dieses Jahr auch gesehen, dass das Publikum anders abgestimmt hat als die Jury. Ich finde, die Jury kann nicht so bleiben und muss größer und bunter werden. Sie darf nicht nur aus Experten bestehen, sondern aus Juroren aus verschiedenen Bevölkerungsschichten. Denn nur wer auf der Rangliste der Jury in den TOP 10 gewertet war, konnte letztlich auch Punkte sammeln.
Frage: Welche Band war denn Ihr Favorit dieses Jahr im ESC?
Bruder Benedikt: Mein Favorit war Finnland. Diesen Rocksong, der dann in einen finnischen Schlager überging, fand ich genial. Das Lied hat die Leute zum Klatschen und Feiern gebracht. Das war nach der langen Pandemie genau das Richtige. Ich lag damit nicht daneben. Der finnische Beitrag landete auf Platz zwei.
Frage: Was müsste sich ändern, dass die deutsche Teilnehmergruppe wieder vorne mit dabei ist?
Bruder Benedikt: Erstens muss man mal sagen, dass das Land sich für diesen Beitrag per Abstimmung entschieden hatte. Natürlich ist es auch ein Problem, dass wir als deutsche Teilnehmer gemeinsam mit vier anderen Ländern gesetzt sind, weil wir zu den Hauptsponsoren dieses Musikwettbewerbes zählen. Aber ich denke, es müsste sich auch etwas bei den Übertragungsrechten der Sender ändern. Ich plädiere dafür, dass das wieder der Bayerische Rundfunk übernehmen sollte. Bislang war es so, wenn der BR den Songcontest übertragen hat, waren die deutschen Teilnehmer auch immer vorne mit dabei.
Frage: Das heißt, es hat Sie schon aufgeregt, dass die deutsche Gruppe 2023 auf dem letzten Platz gelandet ist?
Bruder Benedikt: Um das richtig zu stellen: Wir sind nicht Letzter geworden, wir sind auf Platz 26 von 37 Teilnehmern. Das heißt, hinter uns kamen noch Bands. Ich finde, man tut der Band "Lord of the Lost" im Nachhinein auch ziemlich Unrecht, indem man sie durch den Kakao zieht. Das haben sie nicht verdient. Ich habe mir ein paar Interviews mit dem Bandsänger Chris Harms angesehen. Es ist eine weltoffene Haltung, die er verbreitet. Da passt auch zu der Liedaussage: "Wir sind alle gleich, wir sind alle vom gleichen Blut." Die Band denkt offenherzig und hat die anderen Menschen im Blick. Sie haben mir richtig leidgetan nach dem ESC. Aber die Band geht nun auf große Tournee, das finde ich gut. Sie machen einfach weiter.
Frage: Guildo Horn hat Deutschland eine Auszeit vom ESC vorgeschlagen. Wäre das auch in Ihren Augen gut?
Bruder Benedikt: Nein, wir müssen weitermachen. Aufhören wäre der falsche Weg. Vielleicht müsste sich die Musikindustrie in Zukunft mehr Mühe geben und auch noch mehr Vorentscheide für den ESC zulassen, wie das etwa Österreich macht. Das hat schon seinen Sinn. Ich finde aber, die Band "Lord of the Lost“ hat sich Mühe gegeben.
Frage: Was wünschen Sie sich für den nächsten ESC?
Bruder Benedikt: Ich wünsche mir ein deutschsprachiges Lied, vielleicht eine vernünftige Ballade, oder mal eine rockige Nummer. Nur keinen Ballermann-Hit und kein Karnevalslied, bitte. Und dann gilt es zu hoffen, dass es das richtige Lied zur richtigen Zeit ist. Silly, AnNa R., Marie Reim oder Nina Hagen könnte ich mir auch gut beim ESC vorstellen. Nina Hagen ist eine fromme Christin, die sich erst kürzlich taufen ließ. Sie ist, wie ich finde, eine tolle Sängerin. Aber ich denke, das wird sie nicht machen. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, die Verantwortlichen da mal zu beraten und mit denen eine Tagungsklausur hier im Kloster zu machen. Nur melden die sich nicht bei mir. (Lacht.)