Der weite Abstand zwischen Rom und Deutschland
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Kaum jemand macht sich hierzulande ein Bild davon, wie weit und wie groß der Abstand zwischen dem Vatikan und der katholischen Kirche in Deutschland in den letzten Jahren geworden ist. Die deutschen Kritikpunkte an Rom sind gut begründet – so zum Beispiel jüngst der Standpunkt von Björn Odendahl vom 12. Mai 2023 "Papst Franziskus sendet beim Thema Missbrauch fatale Signale".
Und die römische Seite? Sie gilt in Deutschland als störend, autoritär oder borniert. Sie wird nicht von Vielen hierzulande differenziert wahrgenommen. Doch wie ist die Sicht im Vatikan?
Der Gegensatz liegt schon im unterschiedlichen Analysieren und Angehen der Mega-Katastrophe weltweiter sexueller Gewalt. Gewiss, das Bedauern über die Verbrechen vieler Kleriker, die Täter wurden, wird geteilt. Doch im Vatikan findet man außer dem bayerischen Jesuiten, Psychiater und Präventionsspezialisten gegen sexuelle Gewalt, Hans Zollner, kaum einen Verantwortlichen, der die von den deutschen Bischöfen beauftragte MHG-Studie als allgemein gültigen Verstehensschlüssel "systemische Gewalt" teilt.
Im Blick auf die Täter betonen römische Kuriale die persönliche Schuld und Verantwortlichkeit jedes einzelnen. Die Täter müssten bestraft werden, dafür habe der Papst die Grundlagen verschärft. Weitere Reformen seien unnötig – und der in Deutschland betriebene Synodale Weg mit Reformvorhaben weitab der sexuellen Gewaltproblematik sei vollends unnütz. Einmal mehr stellten sich die Deutschen – denen zuhause die Gläubigen davonliefen – quer. Sie störten die Weltkirche.
Kein anderes Land habe den Weg der wohlhabenden deutschen Bistümer eingeschlagen, von denen jedes einzelne seinen eigenen Missbrauchsbericht erarbeitet und veröffentlicht habe. Das führe zu einer Kaskade von anderthalb Dutzend niederschmetternden Berichten. Die ziehe sich über Jahre hin und zerstöre das öffentliche Ansehen der Kirche.
Die Deutschen hätten nicht gewartet, sondern ihre Positionen aus dem Synodalen Prozess schnurstracks nach Rom geschickt. Dabei wäre es klüger gewesen, nicht als Drängler aufzutreten, sondern den Synodalen Weg respektvoll auszusetzen, bis Papst Franziskus seinen auf zwei Jahre angelegten weltweiten Synodalen Prozess durchgeführt habe. Er startet im Oktober 2023. Ausgang offen.
Der Autor
Thomas Seiterich ist Ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift "Publik-Forum".Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.