Vom Schulstreit zur Freundschafts- klausel
An diesem Donnerstag, dem 50. Jahrestag der Unterzeichnung, findet in Hannover ein Festakt statt, zu dem der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) Gäste aus Politik und Kirche eingeladen haben.
Ein Schulstreit in den 50er Jahren zwischen Land und Kirche stand am Beginn der Überlegungen, die Angelegenheiten zwischen den beiden Partnern neu zu regeln, wie der Historiker Hans-Georg Aschoff nun in einem Vortrag in Hildesheim erläuterte. Die SPD-geführte Landesregierung in Hannover beschloss 1954 ein Gesetz, das die Gemeinschaftsschule in Niedersachsen zur Regelschule erklärte. Bis dahin gewohnte Bekenntnisschulen, also nach Konfessionen getrennte Einrichtungen für Katholiken und Protestanten, waren nur noch in Ausnahmefällen möglich.
Ein Proteststurm der katholischen Bevölkerung hatte die Gesetzesberatungen begleitet, wie Aschoff erläutert. Es habe Hirtenbriefe der Bischöfe gegeben, Protestschreiben der Gläubigen.
60.000 demonstrierten in Hannover
Die Nuntiatur, damals in Bad Godesberg bei Bonn beheimatet, wurde eingeschaltet. Höhepunkt war eine Demonstration von rund 60.000 Katholiken im Frühjahr 1954 in der Landeshauptstadt. Die Kirche berief sich in ihrem Protest auf das Reichskonkordat von 1933, das Bekenntnisschulen zusicherte. Das beeindruckte die Landesregierung aber nicht.
Nach Verabschiedung des Gesetzes klagte gar die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht gegen das Land. Das entschied, dass zwar das Reichskonkordat von 1933 weiter Geltung habe, dass die Kulturhoheit - und damit die Schulfrage - bei den Ländern liege. Damit versicherte das Gericht der katholischen Kirche ihrer Freiheiten und Rechte, aber die Bekenntnisschulen waren verloren. Stattdessen sollten in den Gemeinschaftsschulen die Lehrer nach ihrer Konfession im jeweiligen Anteil der Schüler eingesetzt werden.
Hinzu kam laut Aschoff, dass die evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen mit dem Loccumer Vertrag von 1955 einen Staatskirchenvertrag abgeschlossen hatte, der für sie erheblich höhere Staatsleistungen vorsah als für die katholische Kirche. Das habe das Bedürfnis nach einem Konkordat noch erheblich erhöht, so Aschoff. In den 1958 anlaufenden Verhandlungen habe das Land Niedersachsen dann auch schnell höhere Zahlungen etwa für die Pfarrbesoldung eingeräumt, sei in der Frage der Bekenntnisschulen allerdings hart geblieben.
Die Bekenntnisschule wurde zur Ausnahme
Das Niedersachsenkonkordat wurde am 26. Februar 1965 vom Nuntius in Deutschland, Erzbischof Corrado Bafile, und Ministerpräsident Georg Diederichs (SPD) unterzeichnet. Die Ratifizierungsurkunde wurden am 4. Oktober desselben Jahres getauscht.
Die Gemeinschaftsschule blieb die Regel, die Bekenntnisschule die Ausnahme. Dafür wurde der Kirche die Sicherung bestehender Konfessionsschulen zugestanden und das Recht, neue Konfessionsschulen dort zu errichten, wo Eltern es wünschten. Ein Kompromiss, wie Aschoff sagt.
Neue Basis für das Verhältnis von Land und Kirche
Daneben regelt das Konkordat Rechte der Kirche etwa auf Errichtung von Kirchengemeinden, Erhebung von Kirchensteuern, der Seelsorge in Gefängnissen sowie das Recht zur Wohltätigkeit (Caritas). Es legt fest, wie hohe Kirchenämter besetzt werden, dass kirchliche Verwaltung sich selbst beaufsichtigt, dass die Kirche Anspruch auf Sendezeiten im Rundfunk hat und vieles mehr.
Und es stellt, wie alle Laudatoren dieser Tagen betonen, das Verhältnis von Land und Kirche auf eine neue Basis. In der sogenannten Freundschaftsklausel legen die Partner fest, dass sie "Meinungsverschiedenheiten auf freundschaftliche Weise" lösen und über alle Fragen ihres Verständnisses "einen ständigen Kontakt" pflegen werden.
Von Johannes Schönwälder (KNA)