Niehues: Nicht weniger Berufungen, sondern weniger Aufmerksamkeit
Aus Sicht des Münsteraner Regens Hartmut Niehues liegt der gegenwärtige Priestermangel nicht an einem Mangel an Berufungen. "Ich bin schon überzeugt, dass Gott die Menschen ruft, die er braucht und sie für seine Kirche heutzutage haben möchte", sagte Niehues in einem Interview dem Kölner "Domradio" (Mittwoch). Allerdings sei die Aufmerksamkeit für diesen Ruf heute geringer – gerade bei Menschen, die wenig mit der Kirche zu tun haben. Niehues berichtete von einem jungen Mann, der im Sommersemester als Priesterkandidat begonnen habe. Im Gespräch habe dieser erzählt, dass er schon seit einigen Jahren als Theologiestudent unterwegs sei, ihn der Gedanke, Priester zu werden, aber einfach nicht loslasse. "Und da merke ich, dass Gott tatsächlich auch heute wirkt."
Die Entwicklung, dass in diesem Jahr im Bistum Münster erstmals keine Priesterweihe stattgefunden habe, komme für ihn nicht überraschend. "Ich habe schon vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass wir mit Blick auf die Zahl der Priesterweihen auf eine Nulllinie hinsteuern", sagte Niehues. Das "Gesamt-Klima" für Priesteramtskandidaten sei zurzeit nicht günstig. "Wenn ein junger Mann sich überlegt, Priester zu werden, überlegt er sich natürlich auch: In welcher Kirche tue ich das denn?"
Ein "Haus der Berufungen"
Niehues forderte Veränderungen in der Priesterausbildung. In Münster sehe die Priesterausbildung vor, dass die Anwärter Teil einer Hausgemeinschaft mit Männern und Frauen aus unterschiedlichen Studienfächern seien. "Bei diesem Konzept verbindet uns die Frage, was Gott mit unserem Leben vorhat", so Niehues. "Wenn Sie so wollen, sind wir so gesehen ein Haus der Berufungen."
Der Regens forderte zudem ein Umdenken in der Kirche, "sodass wir uns nicht als Seelsorge-Konzern verstehen, der seelsorgliche Dienstleistungen anbietet". Es brauche ein neues Miteinander als Glaubensgemeinschaft aller Getauften, das auch konkret an den Einsatzorten der Priester erfahrbar sei. (cbr)