Mit Johannes XXIII. starb vor 60 Jahren der Vater des Konzils
Was wird aus dem Konzil, wenn der Papst stirbt? Diese Frage stellten sich im Frühjahr 1963 nicht nur Kirchenrechtler, als es mit der Gesundheit Johannes' XXIII. sichtlich bergab ging. Der 81-Jährige, der es initiiert und seinen Beginn mit allen ihm bleibenden Kräften vorangetrieben hatte, hoffte zunächst, die Beratungen würden nur wenige Monate dauern. Doch angesichts der Dynamik, die die größte Kirchenversammlung des 20. Jahrhunderts entwickelte, wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er selbst das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) nicht würde vollenden können.
Am 3. Juni 1963, vor 60 Jahren, erlag Johannes XXIII. seinem Krebsleiden. Schon zuvor hatte es Stimmen gegeben, mit dem Tod des Papstes erlösche das Konzil, und seinem Nachfolger stehe es frei, es erneut einzuberufen. Immer wieder wurde während des tagelangen Todeskampfes der Wunsch des Papstes transportiert – sei es über das ärztliche Bulletin, den Vatikansprecher oder über die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" –, das Konzil möge fortgeführt werden. So titelte etwa die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 30. Mai: "Der Wunsch des Papstes eine Bitte für das Konzil". Auch die überlieferten Letzten Worte des Papstes – "ut unum sint" (dass alle eins seien) – wurden von der internationalen Presse auf das ökumenische Anliegen des Konzils hin interpretiert. Starb nicht Johannes XXIII. an Pfingsten, wo er doch sein Konzil einmal als ein "neues Pfingsten" bezeichnet hatte?
Das Konzil als "Wespennest"
Kurz: Sein Wunschnachfolger, Kardinal Giovanni Battista Montini von Mailand / Papst Paul VI. (1963-1978), konnte sich einer Fortsetzung der Kirchenversammlung kaum entziehen – auch weil dies schon bald als Letzter Wille Johannes XXIII. in der kirchlichen Öffentlichkeit verankert war. Und obwohl Montini nicht zögerte und bereits kurz nach seiner Wahl die nächste Sitzungsperiode für den September 1963 festsetzte: Es ist nicht ohne Pikanterie, dass eben Montini als geistlicher Ziehsohn des Papstes im Januar 1959, am Abend nach der überraschenden Konzilsankündigung, einem Vertrauten am Telefon sagte, der Papst wisse offenbar gar nicht, in welches "Wespennest" er damit steche.
Als damals der bereits 77-jährige Kirchenhistoriker Angelo Giuseppe Roncalli, der eigentlich als "Übergangspapst" gewählt worden war, den verblüfften bis entsetzten Kardinälen verkündete, er werde ein Konzil der Gesamtkirche einberufen, waren die Vorbehalte groß – zumal an der römischen Kurie. Johannes XXIII. wünschte sich kein weiteres Lehrkonzil mit Verurteilungen und Abgrenzungen, sondern ein "Pastoralkonzil"; einen seelsorglichen Versuch, die Botschaft der Kirche in die moderne Welt hineinzusprechen. Als er starb, war noch kein einziges der zahlreichen Konzilsdokumente spruchreif. Und doch ist das Zweite Vatikanum nicht zuletzt sein Werk.
Zeitenwende durch den "Übergangspapst"
Das Konzil veränderte die Kirche zutiefst. Die Versammlung von rund 2.400 Bischöfen der Weltkirche, von theologischen Beratern und ökumenischen Beobachtern öffnete den Katholizismus für die gesellschaftlichen und politischen Fragen der Zeit; für die Probleme der zeitgenössischen Menschen, wo möglich auf Augenhöhe. Es öffnete die Türen für einen ökumenischen und interreligiösen Dialog. Es wertete die Rolle der Bischöfe gegenüber Rom auf und die Rolle der Laien gegenüber den Bischöfen. Es schnitt alte Zöpfe ab und brach mit Traditionen, bot so Menschen eine neue geistliche Heimat; andere vertrieb es, die sich im Neuen nicht mehr heimisch fühlten.
Der vermeintliche "Übergangspapst" hatte eine Zeitenwende ausgelöst – im Wunsch, "dass alle eins seien". Dieser Wunsch ist auch 60 Jahre später selbst in der römisch-katholischen Kirche unerfüllt geblieben. Ein Indiz dafür war schon die gemeinsame Seligsprechung der beiden Konzilspäpste Pius IX. (1846-1878) und Johannes XXIII. im Jahr 2000: ein kirchenpolitischer Kompromiss zwischen päpstlichem Primat, Unfehlbarkeit und Verurteilungskatalogen einerseits und Roncallis Idee des "aggiornamento" (Verheutigung) andererseits.