"Wer ist Gott? Fragt überhaupt jemand noch so?"

Bischof Feige warnt vor Gottvergessenheit in der Gesellschaft

Veröffentlicht am 04.06.2023 um 10:09 Uhr – Lesedauer: 

Baarlo ‐ "Wer ist Gott? Fragt überhaupt jemand noch so?": Magdeburgs Bischof Gerhard Feige hat bei der Jahrestagung der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk im niederländischen Baarlo vor einer Gottvergessenheit in der Gesellschaft gewarnt.

  • Teilen:

Magdeburgs Bischof Gerhard Feige hat vor einer Gottvergessenheit in der Gesellschaft gewarnt. "Wer ist Gott? Fragt überhaupt jemand noch so? Im Osten Deutschlands jedenfalls – wo ich lebe – gelten inzwischen mehr als 80 Prozent als konfessions- bzw. religionsfrei", sagte Feige am Sonntag in seiner Predigt bei einem Gottesdienst aus Anlass der Jahrestagung der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk im niederländischen Baarlo. Manche sprächen mit Blick auf Ostdeutschland von einer "forcierten Säkularität" oder von "ererbter Gottlosigkeit" und hielten die meisten ehemaligen DDR-Bürger für "religionsresistent" oder "gottlos glücklich". Viele Menschen im Osten, so Feige weiter, wüssten schon mit dem Begriff "Gott" nichts mehr anzufangen. Die meisten hätten Gott nicht nur vergessen, sondern auch vergessen, dass sie ihn vergessen haben.

Gefahr, dass der Glaube an Gott gewissermaßen verdunstet

Zweifellos werde die Frage nach Gott allzu oft vom Lärm des Alltags übertönt und von den zunehmenden Aufgaben verdrängt; es sei leicht, ihr aus dem Weg zu gehen. "Auch unter uns Christen kann es sein, dass der Glaube an Gott gewissermaßen verdunstet, oder dass wir Gott – bewusst oder unbewusst – mit etwas verwechseln, was eher eine Karikatur von ihm ist", so der Magdeburger Bischof, der in diesem Zusammenhang beispielhaft das Bild vom "alten bärtigen Mann" nannte, der irgendwo über den Wolke throne. Solche Vorstellungen von Gott könnten aber den Erfahrungen des heutigen Lebens nicht standhalten. "Da ist es kein Wunder, wenn Menschen sich von ihm abwenden", schlussfolgerte Feige.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Der Bischof betonte in seiner Predigt, dass Gott sich nicht über den Menschen erhebe und nicht aus der Perspektive des Stärkeren urteile: "Nein, Gott lässt sich vielmehr mit hineinziehen in das menschliche Schicksal und bringt sich dabei ganz ein. Es ist ein solidarisches Miteinander." Viele Menschen – wie etwa Elisabeth von Thüringen oder Franz von Assisi – habe das so ergriffen, dass sie selbst es als Ausdruck eines wirklichen Mit-Leidens anschaulich gemacht hätten. "Sie handelten in dem Bewusstsein, dass Gott sich für die Menschheit einsetzt und seine Botschaft in besonderer Weise denen gilt, die an den Rändern der Gesellschaft leben, ausgeschlossen von der Möglichkeit wirklicher Teilhabe", so Feige.

Jahrestagung mit rund 750 Teilnehmern

Der Magdeburger Oberhirte rief dazu auf, aufmerksam zu sein, ob Gott nicht auch heutzutage überraschend auf ungewohnte oder sogar provokante Weise als Gast in unser Leben treten wolle. "„Lassen wir uns darauf ein, ihm auch in denen begegnen zu können, unter denen wir ihn zunächst vielleicht überhaupt nicht vermuten. Wir werden uns dabei sehr wahrscheinlich nicht nur als Angefragte und Lernende erfahren, sondern vor allem auch als reich Beschenkte", so Feige wörtlich.

Die Bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk ist das Begabtenförderungswerk der katholischen Kirche in Deutschland. Die Jahrestagung des Werks, an der laut Bischofskonferenz rund 750 Stipendiatinnen und Stipendiaten, Ehemalige und Gäste teilnahmen, stand unter dem Thema "Die Macht des Helfens – zur Bedeutung ehrenamtlichen Engagements". Im Mittelpunkt stand den Angaben zufolge das Ehrenamt als "eines der wesentlichen Elemente einer gelingenden Bürgergesellschaft". (stz)