Situation in Diözese sorge auch für evangelische Kirchenaustritte

De Maizière über Erzbistum Köln: Reputationsschaden für alle Kirchen

Veröffentlicht am 06.06.2023 um 11:39 Uhr – Lesedauer: 

Berlin/Hamburg ‐ Auch aus der evangelischen Kirche treten jedes Jahr tausende Menschen aus. Thomas de Maizière macht dafür die Vertrauenskrise im Erzbistum Köln mitverantwortlich. Der Umgang mit Missbrauch dort löse für alle Kirchen einen Reputationsschaden aus.

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Der Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags (DEKT), Thomas de Maizière, macht die anhaltende Vertrauenskrise im Erzbistum Köln für Austritte auch aus der evangelischen Kirche verantwortlich. Der Umgang mit dem Thema Missbrauch im größten katholischen Bistum Deutschlands "löst ganz sicher für alle Kirchen einen Reputationsschaden aus", sagte de Maizière in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" (Mittwoch). Viele Protestanten im Rheinland verwiesen bei ihrem Austritt aus der evangelischen Kirche auf die katholische Kirche als Täterorganisation.

Zugleich gab der langjährige Bundesminister zu, dass auch die evangelische Kirche "ganz klar" ein Problem mit Missbrauchsfällen habe, das aufgearbeitet werden müsse. Relativierend fügte er jedoch hinzu: "Vermutlich hatte der sexuelle Missbrauch wohl nicht das Ausmaß wie in der katholischen Kirche." Zwar möge es auch in der evangelischen Kirche Machtstrukturen gegeben haben, die Täter geschützt hätten. Allerdings mischten sich bei der Aufarbeitung in der evangelischen Kirche "Person und Institution nicht so unerträglich". Eine bundesweite Studie zum Missbrauch in der evangelischen Kirche ist – anders als 2018 die MHG-Studie für die katholische Kirche – bislang allerdings noch nicht veröffentlicht worden. Erste Ergebnisse sollen nach Angaben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Herbst vorliegen.

"Das Papsttum und diese ganze Männerbezogenheit gefallen mir nicht"

Auf die Frage, ob er selbst gerne katholisch wäre, sagte de Maizière: "Ach nee, das Papsttum und diese ganze Männerbezogenheit gefallen mir nicht." Die evangelische Kirche habe zum Glück nicht diese Machtballung beim Bischof, der Chef über alles und gleichzeitig Judikative und Beschwerdeinstanz sei. Zugleich bekannte der DEKT-Präsident, dass er den rheinischen Katholizismus immer bewundert habe: "Diese fröhliche, sinnliche Form des christlichen Glaubens, Sünde und Vergebung. Köln war der Inbegriff der katholischen Liberalität." Unter den Kardinälen Meisner und Woelki sei das jedoch ins Gegenteil abgeglitten.

Als Präsident steht de Maizière an der Spitze des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentags, der in dieser Woche in Nürnberg stattfindet. Das Leitwort des Treffens lautet "Jetzt ist die Zeit", erwartet werden bis Sonntag rund 100.000 Teilnehmer. (stz)