Vor fünf Jahren wurde der Missbrauchsskandal aufgedeckt

Es gibt noch viel zu tun

Veröffentlicht am 26.01.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Missbrauch

Berlin ‐ Eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland wird voraussichtlich im kommenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Das kündigte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, am Montag in Berlin an. Am Freitag dabattiert der Bundestag erstmals über eine solche Einrichtung.

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Nach den Vorstellungen Rörigs soll die Kommission Ursachen, Verantwortlichkeiten und Folgen von sexuellem Missbrauch aufarbeiten. Zudem werde Aufgabe sein, Strukturen zu benennen, die Missbrauch ermöglicht und begünstigt hätten. Ihr sollten unter anderem Juristen, Psychologen, Erziehungswissenschaftler und Vertreter von Beratungsstellen angehören. Im Mittelpunkt werde die Anhörung von Betroffenen sein. Die Kommissions-Mitglieder sollen nach Angaben Rörigs durch regelmäßige Berichte Empfehlungen aussprechen.

Fünf Jahre nach Bekanntwerden des Ausmaßes von Missbrauch in kirchlichen und anderen Einrichtungen sind nach Rörigs Angaben weiter "viele tausend Mädchen und Jungen" in Deutschland weiterhin "schutzlos sexueller Gewalt ausgesetzt". Nur wenige Einrichtungen hätten umfassende Schutzkonzepte, nur wenige Eltern wüssten, welche neuen Gefahren die digitalen Medien mit sich brächten.

Mertes während einer Podiumsdiskussion Ende August 2013 in Berlin
Bild: ©KNA

Jesuit Klaus Mertes.

Experten gehen von hoher Dunkelziffer aus

Laut polizeilicher Kriminalstatistik liegt die Zahl der jährlich gemeldeten Fälle von Kindesmissbrauch nach wie vor bei rund 12.500. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. 2010 wurden Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich . Berichte darüber lösten eine Lawine von weiteren Meldungen wie aus dem Kloster Ettal, der Nordkirche und der Odenwaldschule aus.

Der Jesuit Klaus Mertes , der 2010 Rektor des Canisius-Kollegs war und auf Schilderungen von Betroffenen reagierte, beklagte, es gebe weiterhin eine große Intransparenz bei der Aufarbeitung innerhalb der katholischen Kirche. Die Verfahren in der römischen Glaubenskongregation dauerten viel zu lange. Es fehle ein notwendiges Controlling. Auch er befürwortete deshalb eine unabhängige Aufarbeitungskommission.

Frage nach Höhe der Entschädigung weiter offen

Die Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes, Sabine Andresen, betonte, allgemein sei feststellbar, dass die Netzwerke, innerhalb derer Missbrauch möglich geworden sei, bislang nicht ausreichend untersucht worden seien. Auch ihr Verband sowie eine spezielle Ausrichtung der Reformpädagogik müsse sich dieser Frage stellen.

Matthias Katsch vom Eckigen Tisch sagte, ihm gehe es zwar besser als vor fünf Jahren. Den Missbrauch auszusprechen, sei für viele befreiend gewesen, reiche aber nicht. Nach wie vor gebe es keine ausreichende Aufarbeitung. Auch sei die Frage einer Entschädigung weiterhin offen, für ihn persönlich sei eine symbolische Wiedergutmachung von mindestens 25.000 Euro akzeptabel. Im europäischen Ausland würden aber deutlich höhere Summen gezahlt.

Er warf den Bischöfen vor, sich zu weigern, sich mit den Missbrauchsopfern an einen Tisch zu setzten. Katsch ist einer der Betroffenen vom Canisius-Kolleg. Als materielle Anerkennung zahlt die katholische Kirche den Betroffenen rund 5.000 Euro; in begründeten Einzelfällen werden auch höhere Summen gezahlt. Bislang sind nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz rund 1.500 Anträge eingegangen. Rund 95 Prozent der Anträge sind nach Angaben der Bischofskonferenz positiv beschieden und an die entsprechenden Bistümer oder Ordensgemeinschaften weitergeleitet worden. (KNA)