Diskussion um kath.ch: Wie geht es weiter mit dem Kirchenportal?
Ist das Dogma der Jungfrauengeburt nur ein literarisches Konstrukt, das biologisch unmöglich ist? Und ist es damit letztlich ein absurder Glaubensgrundsatz? Eine Redakteurin des katholischen Schweizer Internetportals kath.ch ging im Mai in einem Artikel diesen Fragen nach und kam zu dem Schluss, dass sich mit Blick auf die Jungfrauengeburt "weder historisch-kulturell noch biologisch-medizinisch" argumentieren lasse, sondern die Ontologie – also die These, dass Jesu Gottessohnschaft nicht biologisch zu interpretieren sei, sondern nur sein "Sein" betreffe – als einzige Rettung für das Dogma erscheine.
Der Artikel sorgte – ebenso wie weitere Texte der Autorin über die Gottesmutter – für Kritik konservativer Katholiken, die wenige Tage später in eine Petition der "Katholischen Volksbewegung Pro Ecclesia" mündete. In der Petition, die bislang von gut 1.300 Menschen unterschrieben wurde, bittet die Organisation die Schweizer Bischöfe, "die Beleidigungen unserer himmlischen Mutter" auf kath.ch zu stoppen. Statt die Gottesmutter in ihren Privilegien zu ehren, die Dogmen zu erklären und den Glauben der Leserschaft zu stärken, würden die Mariendogmen in den Artikeln "nur rein menschlich betrachtet, der Glaube an sie wird unterwandert und teilweise lächerlich gemacht". Insgesamt, so "Pro Ecclesia", müsse die teilweise von obszönen Bildern begleitete Artikelserie von kath.ch "als eine Schmähung der Gottesmutter bezeichnet werden, welche jeden gläubigen Katholiken, jedes Marienkind, schmerzt und in seinen religiösen Gefühlen verletzt".
Petiton: "Kath.ch ist vielen Katholiken unseres Landes ein Dorn im Auge"
Die Artikel über die Gottesmutter seien allerdings "leider nur die Spitze des Eisbergs", heißt es in der auch von den Gruppen "Die Schweiz betet" und "Fatima-Weltapostolat" unterstützten Petition weiter: "Kath.ch unterwandert schon seit geraumer Zeit den katholischen Glauben und ist vielen Katholiken unseres Landes ein Dorn im Auge." Man wolle die Bischöfe deshalb "höflich bitten", sich ihrer Verantwortung als Hirten bewusst zu werden und "entweder kath.ch den Auftrag zu entziehen oder zu gewährleisten, dass dieses Medienzentrum auch wirklich zur Erbauung des Glaubens der Katholiken dient".
„Die Bischöfe und Territorialäbte sind seit längerem besorgt über einige Artikel, die auf kath.ch veröffentlicht werden.“
Die Petition, dieser Eindruck drängt sich seit diesem Montag auf, verfehlte trotz der geringen Zahl an Unterzeichnern – immerhin zählt die Schweiz mehr als zwei Millionen Katholiken – offenbar nicht die von ihren Initiatoren erhoffte Wirkung. In einer Pressemitteilung nach ihrer Vollversammlung in Einsiedeln distanzierte sich die Schweizer Bischofskonferenz in deutlichen Worten von kath.ch. "Die Bischöfe und Territorialäbte sind seit längerem besorgt über einige Artikel, die auf kath.ch veröffentlicht werden", heißt es in der Erklärung, in der zur Begründung tatsächlich auf die Artikel über die Jungfrau Maria verwiesen wird. Diese sowie weitere kürzlich veröffentlichte Texte über die Bistümer Chur sowie Lausanne, Genf und Freiburg hätten Gläubige verletzt und zu Unverständnis und Wut geführt, so die Schweizer Bischöfe – die ihrer Kritik zudem eine deutlich Warnung folgen lassen: Weil das Rahmenstatut für die Medienarbeit der Kirche sowieso angepasst werden müsse, überlegten sich die Mitglieder der Bischofskonferenz, ob und in welchem Rahmen es sinnvoll sei, den kath.ch erteilten Auftrag beizubehalten. Rumms.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA ergänzte eine Sprecherin der Bischofskonferenz am Montag, dass bei kath.ch mitunter Dinge geschrieben würden, die nicht bestätigt seien. Zudem seien die Artikel zum Teil mehr historisch als theologisch. Natürlich gebe es die redaktionelle Freiheit, das Mandat von kath.ch sehe aber auch eine gewisse Loyalität gegenüber der katholischen Kirche vor, so die Sprecherin.
Scharfe Kritik der Bischöfe durchaus überraschend
Die scharfe Kritik der Bischöfe kam trotz der Petition von "Pro Ecclesia" durchaus überraschend – schließlich hatten Beobachter eigentlich erwartet, dass kath.ch nach dem vor wenigen Wochen erfolgten Abgang des ebenso umtriebigen wie umstrittenen Redaktionsleiters Raphael Rauch in ruhigeres Fahrwasser steuern würde. Rauch hatte die inhaltliche Ausrichtung des einst braven Portals in seiner dreijährigen Amtszeit radikal Richtung Boulevard verschoben und mit kirchenkritischen Artikeln immer wieder Ärger bei konservativen Katholiken und Bischöfen ausgelöst. Sein im März installierter Nachfolger Charles Martig steht – obgleich er bei seinem Amtsantritt "kritischen Journalismus und eine lebendige Diskussionskultur" angekündigte – für einen weniger provokativen Stil.
Entsprechend überrascht zeigte sich Martig am Dienstag über die Kritik der Bischöfe. In einem Text bei kath.ch schrieb er: "Die vehementen Vorwürfe irritieren uns. Kath.ch war über die Kommunikation nicht vorab informiert und wurde von der Bischofskonferenz in keiner Weise vorgängig zu den mutmaßlichen Problemen mit einzelnen Artikeln und Problemen konsultiert." Der konkrete Inhalt der Vorwürfe, die von der Bischofskonferenz erhoben würden, sei der Redaktion nicht bekannt; aus der Formulierung in der Pressemitteilung lasse sich nicht direkt auf konkrete Artikel schließen.
Martig verwies zudem darauf, dass der neue Schweizer Medienbischof Josef Stübi sich erst kürzlich "anerkennend und sehr wohlwollend" zur Arbeit von kath.ch geäußert habe. Auch deshalb sei die öffentliche Stellungnahme der Bischofskonferenz für die Redaktion nicht nachvollziehbar. Der Redaktionsleiter erklärte, dass das Katholische Medienzentrum, in dem die Medienarbeit der katholischen Kirche in der Schweiz gebündelt ist und zu dem auch kath.ch gehört, "umgehend das Gespräch mit den Bischöfen" suchen werde. Zugleich betonte er, dass das Internetportal nach wie vor nach journalistischen Qualitätsstandards wie Fairness, Transparenz und Wahrhaftigkeit arbeite. Die Redaktion orientiere sich dabei an den Richtlinien des Schweizer Presserats.
Mediation über die publizistische Tätigkeit des Portals
Was Martig in seinem Text nicht erwähnte: Bereits unter seinem Vorgänger Raphael Rauch war das Verhältnis zwischen kath.ch und den Bischöfen so stark belastet, dass 2022 von der Bischofskonferenz, der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und dem Medienzentrum eine gemeinsame Mediation über die publizistische Tätigkeit des Portals durchgeführt wurde. "Anlass für die Mediation war die 2021 teils kirchenintern, teils öffentlich vermehrt geäußerte Kritik an kath.ch: Die Themenwahl sei einseitig, und der Stil von kath.ch provoziere und polarisiere. Ein nicht unerheblicher Anteil der Kritik bezog sich auf den verantwortlichen Redaktionsleiter Raphael Rauch", hieß es zum Abschluss der Mediation in einer gemeinsamen Erklärung.
„Wir finden es nicht sehr zweckdienlich, die Kritik nun nach außen zu tragen.“
Zugleich erklärten die Beteiligten damals, dass man sich darauf verständigt habe, "dass ein Spannungsfeld von redaktioneller Unabhängigkeit und Loyalität gegenüber den kirchlichen Auftraggebern systemimmanent ist". Auch hätten die Auftraggeber ihre Wertschätzung für die Arbeit von kath.ch ausgedrückt und anerkannt, dass das Portal unter der Redaktionsleitung von Raphael Rauch deutlich an Relevanz zugelegt und an Profil gewonnen habe. Von dieser Wertschätzung war in der Pressemitteilung der Bischöfe an diesem Montag allerdings nichts mehr zu lesen.
Wie geht es also nun weiter mit kath.ch? Die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) berichtete am Dienstag, dass man im RKZ, das dem Katholischen Medienzentrum gemeinsam mit der Bischofskonferenz vorsteht und kath.ch mitfinanziert, nicht glücklich über die Stellungnahme der Bischöfe sei. RKZ-Generalsekretär Urs Brosi habe darauf hingewiesen, dass man im Rahmen der gemeinsamen Mediation eigentlich vereinbart habe, Differenzen bezüglich des publizistischen Kurses von kath.ch intern zu diskutieren. "Wir finden es deshalb nicht sehr zweckdienlich, die Kritik nun nach außen zu tragen", so Brosi. Noch also hat kath.ch die Unterstützung der im RKZ zusammengeschlossenen 24 kantonalkirchlichen Organisationen der Schweiz.
GKP-Vorsitzender Frank kritisiert Drohung mit dem Dreh am Geldhahn
Und selbst wenn die Bischofskonferenz kath.ch am Ende tatsächlich den erteilten Auftrag entziehen würde – das Aus für das Portal wäre damit nicht automatisch besiegelt. Schließlich kommt auch das Geld für den Betrieb des Portals – laut NZZ rund zwei Millionen Franken pro Jahr – zu einem großen Teil vom RKZ. Ein Weiterbetrieb von kath.ch wäre also wohl auch ohne Unterstützung der Bischofskonferenz möglich. Ob ein Bruch zwischen den Bischöfen und kath.ch der katholischen Medienarbeit in der Schweiz und damit der Kirche in dem Land dienlich wäre, darf allerdings stark bezweifelt werden.
Beobachtet wird die Auseinandersetzung um kath.ch auch von der deutschen Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP). Sie schrieb am Dienstag bei Twitter: "Die Schweizer Bischöfe drohen dem Portal kath.ch ziemlich unverhohlen mit Einstellung." Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit im Mai hatte der GKP-Vorsitzende Joachim Frank in einem Interview bereits vor "Restriktionen und Grenzüberschreitungen" der katholischen Kirche gegenüber kircheneigenen Medien gewarnt. Wenn etwa führende Kirchenleute die weitere Finanzierung kirchlicher Medien in Frage stellten, weil sie sich an bestimmten Inhalten stießen oder kritische Berichte als Netzbeschmutzung auffassten, "dann ist diese unverhohlene Drohung mit dem Dreh am Geldhahn aus meiner Sicht ein Angriff auf die Freiheit der Berichterstattung".