Bischöfe bleiben bei eigenem Zahlungssystem für Missbrauchsopfer
Auch nach dem Kölner Schmerzensgeld-Urteil zu sexualisierter Gewalt in der Kirche bleiben die Bischöfe bei ihrem eigenen Zahlungssystem für Missbrauchsopfer. Das sagte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Aachener Bischof Helmut Dieser, der "Kölnischen Rundschau". Man halte "unverändert an dem niedrigschwelligen UKA-Verfahren fest". Die UKA – die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen – entscheidet seit 2021 über die Höhe der Kirchenzahlungen an Betroffene. Viele von ihnen sind mit der Höhe nicht einverstanden und sehen sich durch das Kölner Gerichtsurteil vom Dienstag bestärkt.
Nach der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des Kölner Landgerichts soll das Erzbistum Köln einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Im Rahmen des kircheninternen Systems hatte Georg Menne nur 25.000 Euro in Anerkennung des Leids erhalten. Der 64-Jährige forderte im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens von der Diözese 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden. Den Vortrag des Klägers – er soll 320 mal von einem Priester missbraucht worden sein – hatte das Erzbistum nicht bestritten und auch darauf verzichtet, eine Verjährung zu beanspruchen.
Mit Blick auf das Gerichtsverfahren sagte Dieser: "Jeder Betroffene hat das Recht, diesen Weg zu gehen. Es bleibt in jedem Fall eine Einzelfallprüfung, ob von dem Verzicht auf Einrede der Verjährung Gebrauch gemacht wird". Zugleich zeigte sich Dieser "froh, dass der Staat tätig wird und das Urteil Klarheit schafft". Ähnlich hatte sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki geäußert.
Claus für Überdenken des Systems
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hatte sich nach dem Urteil dafür ausgesprochen, das System der kirchlichen Anerkennungszahlungen neu zu bedenken und anzupassen. Das Verfahren sei durch das Urteil aber nicht überflüssig geworden. Vor Gericht müssten Betroffene den Missbrauch konkret nachweisen, was oft nicht möglich sei. Beim UKA-Verfahren reicht es, den Missbrauch plausibel darzustellen.
Auch der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, hatte von der Kirche Konsequenzen gefordert. Das Gericht habe klar vorgegeben, dass die katholische Kirche an Betroffene deutlich höhere Zahlungen leisten müsse als bisher.
Die UKA orientiert sich nach eigenen Angaben "am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder". In den ersten zwei Jahren erhielten Betroffene im Mittel rund 22.000 Euro pro Antrag. In etwa acht Prozent der Fälle seien aber mehr als 50.000 Euro gezahlt worden, mitunter auch mehr als 100.000 Euro. (KNA)