Himmelklar – Der katholische Podcast

Neue ifp-Direktorin Fugunt: Kirche braucht kritischen Journalismus

Veröffentlicht am 21.06.2023 um 00:30 Uhr – Von Katharina Geiger – Lesedauer: 
Isolde Fugunt
Bild: © Erol Gurian

Köln ‐ Isolde Fugunt leitet seit kurzem die katholische Journalistenschule ifp. Im Interview spricht sie über ihre Wünsche für das neue Amt, das Verhältnis von Kirche und kritischem Journalismus – und ihren Blick auf die Zukunft der Kirche.

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Katholisch sein und journalistisch arbeiten – wie geht das zusammen? Isolde Fugunt ist seit Juni journalistische Direktorin des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses, kurz ifp, und leitet die katholische Journalistenschule in einer weiblichen Doppelspitze mit Schwester Stefanie Strobel, der geistlichen Direktorin. Ein Gespräch über Werte, Glaube und journalistisches Handwerkszeug – und kritische Berichterstattung über die Kirche.

Frage: Sie leiten seit Juni das Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) als neue Direktorin. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der katholischen Journalistenschule und für Ihre Amtszeit?

Fugunt: Ganz wichtig ist, dass ich hier die neue journalistische Direktorin bin, denn wir sind ja eine Doppelspitze. Ich habe ja noch eine Co-Leiterin: Das ist Schwester Stefanie Strobel, unsere geistliche Direktorin. Ich bin hier zwar unter anderem auch für die Geschäfte zuständig, also ich bin die geschäftsführende Direktorin, aber wir haben beides. Wir haben ein fachliches Profil und wir haben das geistliche Profil. Das ist mir ganz wichtig.

Natürlich wünsche ich mir in erster Linie, dass wir es weiterhin schaffen, wirklich am Puls der Zeit auszubilden, also den Leuten genau das mit auf den Weg zu geben, was sie dann da draußen brauchen. Ich glaube, das ist uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten ganz gut gelungen. Nicht umsonst sind in vielen Redaktionen Journalistinnen und Journalisten, die hier ausgebildet wurden. Das Feedback bekommen wir so auch. Wir haben viele langjährige Partner in Redaktionen, die hier ihre Volontärinnen und Volontäre ausbilden lassen. Das ist, glaube ich, genau deshalb.

Ich wünsche mir auch für die Zukunft, dass wir immer wach bleiben und sehen, was sich gerade bewegt und was gebraucht wird. Unsere Ausbildung gilt es, so anzupassen, dass auch weiterhin Leute zu uns kommen. Das ist das eine, was wir können müssen: Den journalistischen Markt beobachten. Und immer wieder Impulse in die konfessionelle Presse geben.

Unsere Ausbildungspartner sind ja ganz stark die Redaktionen, die unsere Volontärinnen und Volontäre ausbilden, nämlich Redaktionen wie katholisch.de in Bonn oder der Michaelsbund in München – und viele andere auch, die ich jetzt alle nicht genannt habe und die jetzt hoffentlich nicht beleidigt sind. Ich wünsche mir, dass immer wieder junge Leute in diese Redaktionen nachkommen, die auch neue Ideen mitbringen. Es ist nicht so, dass sie keine Ideen hätten, aber ich glaube, es ist immer total wertvoll, wenn dann jemand frisch ausgebildet wiederkommt und sagt: Ich habe gehört, dass jetzt alle über Formatentwicklung reden – lass uns doch auch mal gucken, ob wir hier nicht ein Newsletter-Projekt oder einen Instagram-Account oder sonst irgendwas aufziehen.

Das sind die Dinge, die wir machen und die ich mir wünsche. Ich weiß, das klingt immer ein bisschen langweilig, aber ich bin ja nun schon seit 2006 hier an dieser Schule. Deshalb sage ich immer – und ich meine es auch ganz ehrlich so: Ich glaube schon, dass die Nominierung von mir in dieses Amt als journalistische Direktorin, als eine Mitarbeiterin, die jetzt zur Chefin wird, auch ein Zeichen an dieses Team ist, das hier teilweise schon sehr lange zusammen arbeitet, das zeigt, dass wir viele Dinge in den letzten Jahren gut und richtig gemacht haben. Also dass wir wach und offen sind, dass Redaktionen gerne mit uns zusammenarbeiten und gerne dann die Leute, die wir ausbilden, auch beschäftigen.

Wahrscheinlich stehe ich für Kontinuität. Für mich ist es auch das Zeichen: Macht so weiter. Weitermachen heißt dabei ja nicht, macht einfach alles immer gleich, sondern bleibt da dran, dass ihr immer wieder guckt, was wir da draußen brauchen. Die Ausbildung, die ich 2006 übernommen habe, war eine ganz andere als das, was wir heute machen. Als ich hier angefangen habe, war Video-Journalismus noch nicht Teil der journalistischen Ausbildung und da haben wir keine Podcasts gemacht. Das alles machen wir heute, reden darüber und machen Seminare zu konstruktivem Journalismus. Das meine ich mit Kontinuität, es geht um Kontinuität in der Qualität. Es geht nicht darum, dass wir alles so weitermachen, wie wir es immer schon gemacht haben.

Die Eingangstür des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) in München.
Bild: ©katholisch.de

Das Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) wird von den 27 deutschen Bistümern finanziert. Im ehemaligen Kapuzinerkloster Sankt Anton in der Münchner Innenstadt verfügt die Einrichtung über eigene Schulungsräume einschließlich Fernseh- und Hörfunkstudios. Seit 1968 brachte es mehr als 3.000 Absolventen hervor, darunter Chefredakteure und Intendantinnen.

Frage: Wie blicken Sie momentan auf die Zukunft der katholischen Kirche?

Fugunt: Ich schwanke immer so hin und her. Es gibt Tage, da denke ich mir: Mensch, es geht doch was vorwärts. Die letzte Synodalversammlung von unserem Synodalen Weg fand ich zum Beispiel sehr motivierend. Ich dachte, es geht doch etwas voran, als dann auch die Papiere zur geschlechtlichen Vielfalt durchgegangen sind, was ja davor in dem Grundtext von der (notwendigen, d. Red.) Mehrheit der Bischöfe nicht angenommen wurde und jetzt im Frühjahr doch noch erreicht werden konnte. Das war einfach ein wichtiges Zeichen.

Das sind die Stellen, an denen ich wirklich Hoffnung habe. Ein anderes Beispiel ist der Nachfolgefilm von "Out in Church". Das war ein Film über Menschen, die schwul, lesbisch oder queer sind und bei der katholischen Kirche arbeiten. Das war ja früher etwas schwieriger, als es zum Glück jetzt ist. Die haben das versteckt und hatten da wirklich große Probleme. Dann haben sie es in diesem Film gewagt, sich zu outen.

Jetzt gab es noch mal einen Nachfolgefilm. Da haben viele Leute erzählt, wie positiv ihr Umfeld reagiert hat und wie Leute ihnen Mut gemacht haben. Zwei Frauen erzählen sogar, dass eine fremde Frau vorbeikam und ihnen einen Blumenstrauß gebracht hat. An den Stellen denke ich mir, dass es ganz viele sind, die sich einen Aufbruch wünschen. Die wünschen sich auch, dass wir da dran bleiben, dass wir in der Diskussion bleiben, dass wir nicht nachgeben und dass wir das einfach nicht liegen lassen.

Es gibt aber auch die dunklen Stunden, wenn wieder ein neues Gutachten zu Missbrauchsfällen erscheint. Die werden ja nach und nach in jedem Bistum veröffentlicht, jedes Bistum macht sein eigenes Gutachten. Wenn dann wieder eines veröffentlicht wird und wir sehen, was da passiert ist, wie Verantwortliche nicht oder schlecht reagiert haben und mehr die Institution geschützt haben, als die Menschen zu sehen – das sind natürlich die Tage, an denen ich große Zweifel habe. Da denke ich mir: Das ist ganz schwierig, wie kriegen wir das zusammen?

Am Ende bin ich Optimistin und ehrlich gesagt auch ein bisschen als Optimistin verschrien – auch in meiner Familie. Ich sehe das Glas immer halb voll. Das hat mir in vielen Lebenslagen geholfen. Es ist eine Grundkonstellation, wie ich so bin. Insofern ist es auch hier so: Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich Dinge verändern, wenn man sie intensiv diskutiert und darum ringt.

Frage: Wie wirken sich die Entwicklungen und Schlagzeilen aus der katholischen Kirche und den Kirchen auf den Journalismus und die journalistische Arbeit aus?

Fugunt: Das kommt ganz darauf an. Es gibt ja Journalistinnen und Journalisten, die in ihrem Beruf überhaupt nichts mit katholischer Kirche zu tun haben, also die nicht über katholische Themen berichten. Die berichten beispielsweise über Klima, Politik oder Bildung oder sie machen zum Beispiel Social Media-Auftritte. Für die spielt, glaube ich, vor allem eine Rolle, was sie in der Journalistenschule an ethischem Fundament mitbekommen haben, dass sie hier mit dem Pressekodex in Berührung gekommen sind und dass sie, wenn sie Vorwürfe formulieren, immer auch die Gegenseite konfrontieren und dieses Handwerkszeug mit dabei haben.

Dann gibt es natürlich auch die, für die die katholische Kirche Berichtsgegenstand ist. Da gibt es, wie ich finde, tolle Vorbilder unter unseren Ehemaligen, wie zum Beispiel Christiane Florin vom Deutschlandfunk, gerade erst wieder ausgezeichnet; Joachim Frank vom Kölner Stadt-Anzeiger, der ja auch die Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP) leitet, wurde gerade mit dem Wächterpreis und dem Stern-Preis für seine Arbeit ausgezeichnet.

Ich glaube, wir brauchen diese Journalistinnen und Journalisten, die die katholische Kirche mit ihrer Kritik begleiten. Die katholische Kirche braucht die auch. Vielleicht kann ich es mit Pater Wolfgang Seibel sagen, der formuliert hat: Die Kirche ist anhaltend erneuerungsbedürftig. Das formulierte er mit Verweis auf das Konzil. Und wie soll man sich erneuern, wenn es nicht auch Menschen – in dem Fall Journalistinnen und Journalisten – gibt, die sagen: Das läuft nicht gut hier, das läuft schief, da müsst ihr hingucken, das müsst ihr verändern.

Die Katholische Journalistenschule ist ein Glücksfall für die katholische Kirche, weil es immer auch Menschen braucht, die unbequeme Wahrheiten aussprechen, die die Finger in die Wunde legen, die zuhören, wenn Menschen ihre Missbrauchsgeschichten erzählen möchten und die davor nicht weglaufen. Die nicht sagen, jetzt ist es genug, sondern die auch jede weitere Geschichte erzählen. Deshalb brauchen wir sie.

„Die katholische Journalistenschule ist ein Glücksfall für die katholische Kirche, weil es immer auch Menschen braucht, die unbequeme Wahrheiten aussprechen, die die Finger in die Wunde legen, die zuhören, wenn Menschen ihre Missbrauchsgeschichten erzählen möchten und die davor nicht weglaufen.“

—  Zitat: Isolde Fugunt

Frage: Wir bewegen uns zwischen Religion und journalistischem Handwerk. Wie gehen für Sie Ihr eigener Glaube und Ihr Anspruch, Journalistin zu sein und Journalismus zu vermitteln, einher?

Fugunt: Ich persönlich bin sehr traditionell katholisch sozialisiert. Ich komme aus der katholischen Jugendarbeit. Ich habe mich da viele Jahre engagiert und habe dort immer einen Rahmen vorgefunden, wo ich ziemlich schnell Verantwortung übernehmen konnte und wo wir unsere Gemeinde mitgestalten konnten. Ich habe das einfach sehr positiv erlebt. Ich habe das Glück, dass ich keine so schlimmen Erfahrungen mit der katholischen Kirche gemacht habe, wie das andere in ihrem Leben gemacht haben. Insofern kommt daher auch ein ganzes Stück dessen, wer und was ich bin, ein Stück Selbstvertrauen und ein Stück Vertrauen in meine Kompetenzen, in das, was ich kann, was ich bewegen kann und wie ich Leute zusammen kriege für neue Projekte, wie man zusammen was auf die Beine stellen kann. Früher war das natürlich eher ein Zeltlager. Heute ist es dann ein journalistisches Seminar oder ein Jahrestreffen.

Das heißt, in meiner Arbeit jetzt als Journalistenausbilderin, die ich seit vielen Jahren viel eher bin, als dass ich selbst journalistisch tätig wäre, spielt das einfach eine ganz große Rolle. So habe ich Glauben und Gemeinschaft erlebt und so darf ich das hier auch weitergeben. Insofern ist das etwas, das mich trägt.

Ich meine, auch dieser Übergang ist für mich manchmal eine schwierige Zeit, denn es ist eine große Verantwortung, diese katholische Journalistenschule mit dieser langen Geschichte – seit über 55 Jahren gibt es sie schon – zu übernehmen und auch gut in die Zukunft zu führen.

Da gibt es Tage, an denen ich mir ganz sicher bin, dass das auf jeden Fall funktioniert, weil ich das Vertrauen und die Erfahrung habe. Ich habe ja schon erklärt, wo das herkommt. Aber natürlich gibt es auch Momente, in denen man denkt: Hilfe, wie soll das werden? Klappt das? Das sind die Momente, in denen ich mir denke: Okay, du musst das nicht ganz alleine hinkriegen. Manche Dinge hast du nicht in der Hand. Da gibt es jemand Größeren an deiner Seite. Jemanden, etwas, eine oder einen Gott, der dich hält und trägt. Das gibt mir auch Zuversicht und Hoffnung, dass ich das hier gut hinkriege.

Von Katharina Geiger