Stararchitekt: Habe mir Gedanken gemacht, ob ich für Kirche bauen will
Im historischen Zentrum Berlins wurde am Mittwochvormittag der Grundstein für das neue Bernhard-Lichtenberg-Haus des Erzbistums Berlin gelegt. Das Haus direkt hinter der Hedwigs-Kathedrale soll nach seiner für 2025 geplanten Fertigstellung unter anderem acht Wohnungen – darunter eine 140 Quadratmeter große Wohnung für Erzbischof Heiner Koch – sowie Büro- und Veranstaltungsräume beherbergen. Vor allem aber soll es als Katholisches Forum am Bebelplatz eine attraktive Anlaufstelle für katholische und nicht-katholische Besucherinnen und Besucher sein. Mit einem Café, einer Buchhandlung und weiteren öffentlichen Räumen soll das nach dem seligen NS-Gegner Bernhard Lichtenberg benannte Gebäude laut Dompropst Tobias Przytarski die Möglichkeit bieten, "die katholische Kirche niedrigschwellig kennenzulernen". Realisiert wird das Bauvorhaben, das parallel zur bereits seit 2018 laufenden Sanierung der Kathedrale stattfindet, vom Schweizer Stararchitekten Max Dudler. Im Interview mit katholisch.de spricht der 73-Jährige über die Idee seines Entwurfs und das Bauvorhaben. Außerdem äußert er sich zu der Frage, ob er im Vorfeld Skrupel hatte, für die Kirche tätig zu werden.
Frage: Herr Dudler, nach dem Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität und der viel beachteten U-Bahn-Station "Museumsinsel" realisieren Sie mit dem Bernhard-Lichtenberg-Haus am Bebelplatz erneut ein prominentes Bauprojekt in der historischen Mitte Berlins. Welche Bedeutung hat dieses Projekt für Sie?
Dudler: Es ist immer etwas Besonderes, wenn man im Zentrum einer Stadt bauen kann – gerade auch in Berlin. Der Bebelplatz mit den historischen Gebäuden der Humboldt-Universität, der Staatsoper und der Hedwigs-Kathedrale ist ein wunderbarer Ort. Es freut mich sehr, mit dem Bernhard-Lichtenberg-Haus in diesem Ensemble einen architektonischen Beitrag leisten zu können.
Frage: Bauherr des Hauses ist das Erzbistum Berlin, also die katholische Kirche. Spielt das für Sie irgendeine Rolle? Haben Sie, bevor Sie sich um das Projekt beworben haben, vielleicht sogar gezögert, für die Kirche tätig zu werden? Immerhin ist das Image der Institution vor allem durch den Missbrauchsskandal ja seit Jahren im Keller ...
Dudler: Wie viele Menschen auch haben mich die Missbrauchsfälle, die in den vergangenen Jahren bekannt geworden sind, zutiefst erschüttert. Insofern habe ich mir im Vorfeld schon Gedanken gemacht, ob ich wirklich für die katholische Kirche tätig werden möchte. Allerdings hat die Kirche natürlich auch riesengroße kulturelle Verdienste. Schauen Sie sich nur die Kulturgeschichte der vergangenen 2.000 Jahre an – die ist ohne die Kirche gar nicht denkbar! Die Kirche baut nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für zukünftige Generationen. Dieser im ursprünglichsten Wortsinn nachhaltige Ansatz ist sehr zeitgemäß, finde ich. Es ist auch nicht meine erste Zusammenarbeit mit der Kirche: In Münster durfte ich die Diözesanbibliothek bauen und in Trier baut mein Büro derzeit das Kloster Bethanien.
Frage: Welches Verhältnis haben Sie persönlich zur katholischen Kirche?
Dudler: Ich bin getauft und katholisch aufgewachsen, als Jugendlicher war ich auch Messdiener. Mit 20 Jahren bin ich dann aber aus der Kirche ausgetreten.
Frage: Was ist für Sie das Besondere, das Reizvolle am Bauauftrag des Erzbistums?
Dudler: Wie schon gesagt: Mit seiner Lage am Bebelplatz befindet sich das Bernhard-Lichtenberg-Haus an einem hochinteressanten Ort, der zur architektonischen Auseinandersetzung mit den Gebäuden in der unmittelbaren Umgebung geradezu einlädt. An diesem Ort schlägt sozusagen das historische Herz Berlins, und nach den Vorstellungen des Erzbistums soll ja auch das katholische Herz der Stadt hier künftig noch stärker schlagen. Dazu als Architekt einen Beitrag zu leisten, finde ich sehr spannend.
Frage: Der Bauauftrag ist im Prinzip zweigeteilt: Er besteht einerseits aus der Sanierung des neoklassizistischen Altbaus aus dem frühen 20. Jahrhundert und andererseits aus dem von Ihnen entworfenen Neubau. Welcher Idee sind Sie bei der Gestaltung des Neubaus und der Planung des Gesamtensembles gefolgt? Was kann und soll das Bernhard-Lichtenberg-Haus künftig für die Kirche und das städtische Umfeld leisten?
Dudler: Mit dem künftigen Ensemble, zu dem ja auch die direkt benachbarte Hedwigs-Kathedrale gehört, soll ein Ort der Ruhe jenseits der Menschenströme zwischen Bebelplatz und Französischer Straße entstehen, der zum Austausch und zum Verweilen einlädt – sozusagen ein neues Forum im Gewebe der Stadt. Die wichtigsten Bausteine hierfür sind sicher das geplante Café im Erdgeschoss und weitere öffentliche Räume, die Begegnung ermöglichen. Architektonisch wiederum ist es grundsätzlich mein Ziel, dass sich die Menschen mit den Gebäuden, die ich baue, auseinandersetzen und eine Beziehung dazu aufbauen. Gebäude, bei denen man sofort "Hurra" schreit, wenn man sie sieht, hat man meist nach wenigen Minuten schon wieder vergessen. Das soll beim Bernhard-Lichtenberg-Haus nicht passieren.