Mahbuba Maqsoodi: Wie eine Muslima Farbe in die Kirche bringen will
Sie mag kein schwarz-weiß, obwohl sie heute eine schwarze Hose und ein weißes Oberteil trägt. Ihr geht es um die Vielfalt im Leben, in der Religion und in ihrer Arbeit: Mahbuba Maqsoodi ist Muslima und gestaltet Kirchenfenster – aber daraus einen Gegensatz zu konstruieren, ist ihr zu einfach. "Das passt wunderbar zusammen", sagt sie. "Für mich existieren solche Grenzen nicht." Sie spricht mit einem Zungenschlag, der ihre afghanische Herkunft und fast dreißig Jahre in Bayern nicht verleugnen kann.
Maqsoodi kommt aus einem liberalen Elternhaus in dem Frauen- und Menschenrechte ein wichtiges Thema waren: Ihr Vater gründete in Afghanistan eine Mädchenschule, sie selbst arbeitete als Lehrerin an einem Mädchengymnasium in Herat. Mit ihrer Schwester Afifa setzte sie sich für Frauenrechte in Afghanistan ein, bis Afifa 1979 von einem islamistischen Terroristen erschossen wurde. Dann verließ Maqsoodi das Land und begann mit einem Stipendium ein Kunststudium in Sankt Petersburg. In der Eremitage kam sie zum ersten Mal mit christlicher Kunst in Berührung. Dabei sei ihr klar geworden, dass die großen Themen der Religionen und Kulturen identisch sind. "Immer geht es darum, was Menschen beschäftigt. Auch die Menschwerdung Jesu ist erstmal nichts anderes als die Geschichte einer Geburt", sagt sie. Nun möchte sie mit ihrer Kunst die großen Themen der Religionen ins Gespräch bringen.
Maqsoodis Ziel: Auseinandersetzung mit überkommenen Ansichten
Ihr Kunstschaffen in sakralen Räumen soll eine kritische Auseinandersetzung mit überkommenen Ansichten, Lehren und Denkfiguren anregen. Kirchen eignen sich dafür besonders, sagt sie. Denn anders als Ausstellungen, ist die Kunst dort dauerhaft und für viele Menschen zugänglich. Auch sie geht oft in Kirchen – um sich inspirieren zu lassen.
Wenn sie für die Kirche arbeitet, ist sie besonders kritisch. Kann sie Aufträge mit ihren Überzeugungen nicht vereinbaren, lehnt sie ab. Zuletzt gestaltete Maqsoodi einen großen Tagungsraum für das kirchliche Hilfswerk "missio" in München. Als sie den Namen des Hilfswerks hörte, war sie skeptisch: "Mission? So etwas ist nicht gut." Dann erfuhr sie aber, dass "missio" in der Bildungsarbeit tätig ist und dabei Frauen- wie Menschenrechte eine große Rolle spielen – also sagte Maqsoodi zu. "Wenn in das Gute, Schöne, Menschliche investiert wird, bin ich sofort dabei", sagt sie und strahlt.
Maqsoodi lebt seit 1994 in Deutschland. Die heute 66-Jährige wurde vor wenigen Jahren in der deutschen Kirchenlandschaft bekannt, nachdem sie 29 Fenster für die Abteikirche von Tholey im Saarland gestaltet hatte. Auch in den USA gibt es Kirchenfenster von ihr – dort gab es größere Vorbehalte gegen das Engagement einer Muslima in der Kirchenkunst. Überrascht hat sie, dass es in Deutschland darüber fast keine Auseinandersetzung gab. Ein bisschen hätte sie es sich schon gewünscht, gibt sie zu.
Wenn es um Projekte aus anderen Kulturkreisen oder Religionen geht, widmet sie sich zuerst der Literaturrecherche. Bei Fenstern mit Heiligendarstellungen – wie bei ihrem Großprojekt in der Abtei Tholey – war das eine besondere Herausforderung für Maqsoodi. Während sie die biblischen Geschichten aus ihrem Kulturkreis kennt, sind die katholischen Heiligenlegenden ihr gänzlich fremd gewesen. In der Beschäftigung mit der Heiligenvita lerne sie, was den Menschen ausgemacht habe – "darauf kommt es an und nicht auf Superhelden-Geschichten", sagt sie und meint Heilungen und Wundererzählungen. Ihr Fokus liegt auf dem Verbindenden von menschlichem und religiösen – einen Gegensatz zu konstruieren, wäre ihr unerträglich schwarz-weiß.
Heiligkeit? Damit tut sich Maqsoodi schwer
Aus dem gleichen Grund lehnt sie das klassische Konzept von Heiligkeit ab. Jeder Mensch habe gute und böse Seiten. Keine Seite stehe für sich allein. Diese Ambivalenzen möchte sie auch in ihren Heiligendarstellungen ausdrücken. Wie sie das macht? "Mit Gestik und Mimik", sagt sie. "Je nachdem wie man eine Hand zeichnet, kann sie einladend oder drohend, gebend oder entziehend sein." So kommentierte sie beispielsweise den Verzicht auf Reichtum des heiligen Wendelin in ihrem Tholeyer Fenster mit einer Hand, die einen prunkvollen Ring trägt – auch das gehöre dazu.
Nachdem sie sich zu Projektbeginn mit den Grundaussagen der Geschichten und Protagonisten beschäftigt hat, entstehen die Bilder in ihrem Kopf – "immer in Farbe", sprudelt es aus der quirligen Frau heraus. Da sei auch viel Zufall dabei. Ihre Kunst sei es, diesen Zufall zu verwalten und daraus etwas zu erschaffen. Wenn sie eine besonders verrückte Idee habe, spreche sie gerne mit einem befreundeten Theologieprofessor. "Bisher fand er noch nichts zu verrückt", sagt sie und lacht.
Nach ersten Zeichenstudien, fertigt Maqsoodi eine Vorlage des Kunstwerks im Maßstab 1:10 an. Anschließend wird das Bild vergrößert – sie holt eine solche Vergrößerung aus der Ecke ihres Ateliers und streicht darüber: "Sobald man das Bild größer zieht, muss man es gründlich überarbeiten." Ist Maqsoodi mit den Vorlagen zufrieden, werden sie auf eine Papierrolle übertragen und in ihrem Atelier zur Vorlagenkorrektur aufgehängt.
Ein umgedrehtes Fernglas für die Fernwirkung
Für diesen vorletzten Schritt hat sie an einer Wand des Raumes ein Rohr befestigt, an dem sie die Papierrolle aufhängen und nach und nach abrollen kann. Dann steht die kleine Frau vor den meterhohen Papierbahnen, schaut durch ein umgedrehtes Fernglas und versucht so die Fernwirkung ihres Werks einzuschätzen. Jeder Strich wird nachgezogen, überarbeitet, überprüft. Am Ende muss alles stimmen. Dass man die Details aus der Kirchenbank nicht erkennen wird, ist ihr egal. Im Studium habe sie gelernt, dass es in der Kunst auch auf Unscheinbares ankomme.
Wenn sie über ihre Kunst spricht, wiegen ihre schwarzen Ohrringe hin und her, ihre Augen blitzen auf, wenn sie ihre Entwürfe beschreibt. Ähnlich lebendig ist ihr aktuelles Projekt. Es strotzt nur so vor Farben – und sie vor Vorfreude. Metamorphose heißt es. Für die Pfarrkirche St. Josef im oberpfälzischen Cham hat sie vierzehn Regenbogen-Fenster gestaltet. Sieben über das Alte und sieben über das Neue Testament.
Sie sinniert über die Wärme des Regenbogens, die sich ab Spätherbst um die Kirchenbänke der bayerischen Kirche legen wird – immer heller werdend, von hinten nach vorne. Aktuell erinnert der Nachkriegsbau in Cham mit seinen einfachen Glasfenstern eher an eine kühle Turnhalle als an die Erhabenheit eines sakralen Raums. Maqsoodis Farbfenster werden die Pfarrkirche bald in ein Meer aus blau, lila, rot, orange und gelb tauchen. Die Künstlerin möchte nicht zu viel darüber erzählen, denn das Werk werde erst vor Ort komplett sein, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch das Glas dringen und das von ihr ersonnene Farbenspiel in der Kirche beginnt. Ein Besuch sei dringend angeraten, insistiert sie mehrmals.
Abstrakte Motive und kräftige Farben
Die Vorlagen zeigen bereits, wie die Formen und Farben der Chamer Fenster ineinanderfließen. In einem der bis zu vier Meter hohen Fenster umfassen sich Hände in warmen Orange-Tönen und überschatten Körper, die ineinander übergehen und verschmelzen. Aus vielen kleinen, abstrakten Figuren setzen sich Gewänder von Figuren zusammen; hier ist eine orangene Maske zu erkennen, dort ein blauer, muskulöser Körper und daneben könnte eine Hand mit Smartphone dargestellt sein. Die Fenster wirken chaotisch und sind doch fokussiert. Sie illustrieren biblische Geschichten – zeitgemäß, das betont Maqsoodi. Einzelne Details ihrer Kunst erläutert sie aber nicht. Die Vielschichtigkeit der Farben und Motive soll das Leben widerspiegeln und deutungsoffen bleiben.
Um die Raumwirkung ihres neuen Werks zu testen, hat sie Glasproben anfertigen lassen. Vor einigen Wochen fuhr sie mit ihnen nach Cham. Im Gepäck hatte sie auch einige Ausdrucke der Fenster, die sie der Gemeinde präsentieren konnte. Dort war man begeistert, erzählt sie.
Jetzt sitzt sie in ihrem Atelier, das sich in einem Anbau hinter ihrem Münchener Wohnhaus befindet. "So leer ist es hier selten", sagt Maqsoodi und schaut durch den quadratischen Raum an die braune Wand, vor der sonst ihre Entwürfe hängen. Einige Farbkleckse auf dem Boden und unzählige Pinsel in allen Größen und Farben neben ihr, lassen erahnen, wie es hier aussieht, wenn eines ihrer Werke entsteht. Doch vergangene Woche hat die Künstlerin ihre Entwürfe für Cham in die Paderborner Glasmalerei Peters gebracht. Sie ist noch etwas müde, denn vor wenigen Stunden kam sie erst zurück nach München. In den nächsten Wochen wird sie mehrmals nach Paderborn fahren, um die Umsetzung ihrer Vorgaben zu betreuen. Nicht alle Künstler investierten in diesen letzten Schritt so viel Mühe wie sie, erklärt sie und fügt hinzu: "auf das Ergebnis kommt es aber nun mal an!"
Sie prüft bei diesen Besuchen das Glas, hält die bemalten Scheiben gegen das Licht und ändert gelegentlich Farbnuancen der Vorlagen. In der Glaswerkstatt werden die Motive von ihren Acrylmalerien auf das Glas abgepaust. Wenn die Glasmaler in Paderborn die Fenster fast fertiggestellt haben, wird Maqsoodi wohl noch einmal selbst den Pinsel in die Hand nehmen und den Fenstern den letzten Schliff geben.
Im Herbst sollen die Kunstwerke dann in der Oberpfalz eingebaut werden. Zur Einweihung wird auch Bischof Rudolf Voderholzer erwartet. "Wer meine Fenster sieht, wird sich damit auseinandersetzen müssen – auch der Bischof", gibt sie verschmitzt zu und freut sich auf die Zusammenkunft – in der Hoffnung, Farbe in die Kirche zu bringen.
Die Künstlerin auf Instagram
Auf Instagram informiert Maqsoodi über den Fortschritt ihrer Arbeit.