Standpunkt

Mit Bedacht und Liebe gegen die Angst vor Austritten

Veröffentlicht am 12.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Julia Martin – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn ‐ Mehr als eine halbe Million Menschen haben die Kirche vergangenes Jahr verlassen. Für Julia Martin ein Grund, sich mit den Gründen dafür zu befassen und nach Antworten zu suchen. Die findet sie in der Regel des heiligen Benedikt.

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Noch ein Standpunkt, der die Kirchenaustritte thematisiert? Über diese Krise, die Ursachen und möglichen Reaktionen kann nicht genug geschrieben werden, wenn sie überwunden werden soll – was auch immer das letztlich heißt. Ein Vers der Benediktsregel, den ein junger Mönch vor gut einer Woche als Professspruch gewählt hatte, kam mir in diesem Zusammenhang in den Sinn. Im Abtskapitel schreibt der heilige Benedikt, dessen Gedenktag übrigens gestern gefeiert wurde, dass der Abt die Fehler nicht wuchern lassen dürfe, sondern sie "mit Bedacht und Liebe" wegschneiden solle, "wie es seiner Absicht nach jedem weiterhilft". Ein wunderbarer Satz, wie ich finde.

Weiter hat Benedikt in Bezug auf die Aufgaben des Abtes die einzelnen Persönlichkeiten der Gemeinschaft mit ihren durchaus individuellen Bedürfnissen im Blick: Er soll der "Eigenart vieler" dienen, sich "auf alle einstellen". Es gilt hierbei auch die "maßvolle Unterscheidung", das sogenannte rechte und individuelle Maß an Aktion. Was kann das aber in Bezug auf die Hilflosigkeit, das Aufstellen von Scheinkausalitäten und einfachen Korrelationen, die verzweifelte Suche nach Gründen der immensen Abwanderung heißen?

Was der heilige Benedikt vor über 1.500 Jahren für eine Gemeinschaft geschrieben hat, lässt sich auch auf die aktuelle Situation beziehen. Zunächst einmal heißt das, dass mit einer einfachen "Wenn, dann"-Logik diese Krise nicht gestoppt oder gar ins Gegenteil gedreht werden kann. Gleichzeitig, dass bloße Krisenrhetorik gegen den zunehmenden Bedeutungsverlust nicht hilft. Im Gegenteil. Es muss etwas passieren. Probleme benennen. "Fehler wegschneiden". Herausforderungen aktiv angehen. "Mit Bedacht und Liebe". Handeln. "Maßvoll".

Es wäre angeraten, bei den Menschen, die "noch" da sind, zu schauen, was deren Gründe und auch deren Zweifel sind. Damit sie eben nicht auch noch verloren gehen, sondern bestärkt werden. Und das kann ganz im Sinne Benedikts durchaus unterschiedlich sein. Es gibt keine einfache Lösung für das aktuelle Problem, aber ziemlich gute Gedanken, die uns beim Umgang helfen können.

Von Julia Martin

Die Autorin

Julia Martin ist Pressesprecherin der Benediktinerabtei Münsterschwarzach.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.