Priester-Willkommenskurs: "Entdecken zusammen, ob jemand geeignet ist"
Seit mehr als 20 Jahren gibt es im Bistum Münster Priester, die aus anderen Ländern der Welt kommen. Die ausgebildete Pastoralreferentin Renate Brunnett begleitet als Personalverantwortliche die Priester auf ihrem Weg vom Heimatland an die neue Arbeitsstelle. Dafür wurde ein eigener "Willkommenskurs deutsche Kultur – Pastoral – Sprache" entwickelt. Damit sollen die neuen Priester fit für die Seelsorge in Deutschland gemacht werden. Was die Teilnehmer in diesem Kurs lernen, welche Anforderungen sie mitbringen müssen und was nötig ist, damit sie in Deutschland bleiben können, erklärt die Seelsorgerin im Interview mit katholisch.de.
Frage: Frau Brunnett, wie viele Weltkirche-Priester sind im Bistum Münster tätig?
Brunnett: Wir haben bei uns etwa 160 Priester, die aus anderen Ländern kommen. Das ist etwa ein Drittel der rund 600 im Bistum aktiven Priester. Dieses Verhältnis soll auch so bleiben.
Frage: Der Hauptgrund für diese Aufnahme ist doch vor allem der Priestermangel in Deutschland, oder?
Brunnett: Ja, der Priestermangel ist ein Grund, warum wir Priester aus anderen Ländern zu uns einladen. Auf der anderen Seite nehme ich es als eine große Bereicherung wahr, wenn Priester der Weltkirche ihre je eigenen Seelsorgeerfahrungen bei uns in den Gemeinden einbringen. Manche dieser interkulturellen Kooperationen mit einzelnen Bistümern bestehen zum Teil schon sehr lange.
Frage: Ist es dann so, dass das Bistum Projektgelder in bestimmte Länder investiert, um dafür Priester als Gegenleistung zu erhalten?
Brunnett: Nein, wir fördern zwar mit unseren Geldern weltkirchliche Projekte, aber das geschieht unabhängig davon, ob sich aus dem Projektland Priester bei uns bewerben oder nicht. Wir haben zum Beispiel seit den 90er-Jahren mit einigen Bistümern in Indien eine sehr enge Zusammenarbeit. Es gibt dort einen regelrechten Priesterüberschuss. Die Bistümer dort können nicht jedem dieser Priester eine geeignete Stelle anbieten. Daher ist der Bischof sehr froh darüber, dass sich manche dazu bereit erklären, nach Deutschland zu gehen. Es sind hochqualifizierte Priester, die von dort zu uns kommen. Anfangs war auf Seiten des Bistums Münster eine große Portion Naivität dabei. Damit waren interkulturelle Konflikte vorprogrammiert. Die Bistumsleitung hat gemerkt, dass es jemanden braucht, der Brücken baut. Daraus entstand dann meine Stelle im Jahr 2015. Ich verantworte die Auswahl, die Einführung in die deutsche Kultur, Pastoral und Sprache und den Einsatz der Priester, die vor allem aus Indien, vom afrikanischen Kontinent und aus Rumänien zu uns kommen. Und ich bin im regelmäßigen Austausch mit den entsendenden Bischöfen und Ordensoberen, um mit ihnen über die Auswahl der Kandidaten zu sprechen. Wir legen Wert auf Kompetenzen!
Frage: Welche Voraussetzungen muss ein Priester mitbringen, um sich für eine Tätigkeit im Bistum Münster zu qualifizieren?
Brunnett: Bevor der Priester die Reise nach Deutschland antreten kann, muss er anfangen, die deutsche Sprache zu erlernen. Dazu besucht er in seiner Heimat mehrere Sprachkurse an einem Goethe-Institut. Er lernt dort sechs Monate lang in Vollzeit Deutsch. Für manche Bewerber ist das eine große Hürde, die sie nicht überwinden. Die meisten, die zu uns kommen, sind sehr gut vorbereitet. Sobald dieser Priester in Deutschland ist, besucht er hier unseren weiterführenden Willkommenskurs. Dieser Kurs findet im Priesterseminar in Münster statt, wo der Priester für die erste Zeit auch wohnt. In diesem Kurs wird ihm die deutsche Kultur, Pastoral und Sprache vermittelt. Nach dieser ersten Phase der Orientierung und des Kennenlernens folgt ein zehnmonatiges Praktikum in einer Pfarrei. Begleitend dazu gibt es noch weitere Kurse und am Ende eine Prüfung "Fachsprache Pastoraltheologie". Dieses Zertifikat benötigt er, um in einer Pfarrei im Bistum eingesetzt zu werden. Der Kurs ist verpflichtend für alle Priester, die neu aus der Weltkirche zu uns ins Bistum Münster kommen.
Frage: Wie werden diese Priester dann auf die Besonderheiten der seelsorglichen Situation vor Ort vorbereitet?
Brunnett: Parallel zum Pastoralpraktikum lernen die Priester der Weltkirche anhand von Rollenspielen in den Kursen, sich auf seelsorgliche Situationen vorzubereiten. Dazu laden wir Experten aus den Gemeinden ein, die zum Beispiel einen Trauerfall oder ein Taufgespräch nachspielen. In diesen nachgestellten Szenen wird rasch deutlich, wie gut der Priester sich in der Sprache verständigen kann, ob er die Situation versteht und angemessen reagieren kann. Auch theologische Inhalte werden auf diese Weise thematisiert. Es geht jeweils darum, welche Wirkung theologische Aussagen in den jeweiligen Kulturen haben. Der Kandidat muss zeigen, dass er in der Lage ist, mit einer ihm völlig neuen Situation sinnvoll umzugehen. Wir entdecken gemeinsam, ob jemand geeignet ist oder überfordert reagiert.
Frage: Was sind typische Situationen der Überforderung?
Brunnett: Ich erinnere mich an einen Priester, der mir erzählt hat, dass es in seiner Heimat als Trost empfunden wird jemandem, der in seiner Familie um einen Verstorbenen trauert, der Suizid begangen hat, zu sagen: "Gott wollte es so." Bei uns in Deutschland würde diese Aussage großen Widerspruch auslösen und eher für Verärgerung sorgen. Oder ein anderes Beispiel: Das Thema sexueller Missbrauch bei Kindern wird leider in anderen Ländern allzu oft verharmlosend dargestellt. Das geht bei uns nicht. Daher erklären wir deutlich, was bei uns in der pastoralen Praxis üblich ist und was nicht. Im Pastoralpraktikum sammeln die Kandidaten wertvolle seelsorgliche Erfahrungen. Sie gehen etwa bei Beerdigungen mit, sind bei Trauergesprächen dabei oder in der Klinikseelsorge. Dort entwickeln sie ein Gespür dafür, wie Seelsorge hier bei uns funktioniert. Wichtig ist uns auch, dass der Priester in diesem Pastoralpraktikum wenn möglich von einer Frau als Mentorin, zum Beispiel einer Pastoralreferentin, begleitet wird.
Frage: Warum sollte eine Frau die Mentorin für einen Priester der Weltkirche sein?
Brunnett: Das machen wir bewusst so, damit der Kandidat sich daran gewöhnt, dass es hier in Deutschland in der Seelsorge auch Frauen gibt, die gleichwertig und auf Augenhöhe agieren. Das sind manche der Priester aus anderen Kulturen dieser Welt nicht gewohnt. Leider gibt es an diesem Punkt noch viele interkulturelle Missverständnisse und Konflikte. Einmal etwa hat mir eine Pastoralreferentin erzählt, dass sie nach einer Beerdigung einem Kollegen, der aus Indien kam, angeboten hatte, ihn im Auto mit nach Hause zu nehmen. Das lehnte der aber ab, was sie sehr irritierte. Für ihn war es eine angemessene Reaktion, denn in Indien fährt ein Prieser niemals alleine mit einer Frau im Auto mit, weil es moralisch negativ konnotiert ist. Ein typisches interkulturelles Missverständnis. Darüber hinaus ist es für manche der Priester der Weltkirche durchaus eine Herausforderung, dass bei uns Frauen in der Kirche eine Rolle übernehmen, in der sie auch Macht- und Entscheidungskompetenz haben. Natürlich ist die Praktikumszeit von eineinhalb Jahren zu kurz, um einen ausreichenden Überblick über alle Seelsorgestrukturen bei uns zu bekommen. Aber wir sehen schon, welcher der Kandidaten diesen Weg gut mitgehen kann und welcher noch Unterstützung dabei braucht.
Frage: Werden die Priester der Weltkirche auch überprüft, ob sie sich in der Vergangenheit etwas zuschulden haben kommen lassen, etwa in Hinblick auf sexuellen Missbrauch?
Brunnett: Ja, wir schicken schon bei den Bewerbungsunterlagen ein Schreiben mit, das die Kandidaten unterzeichnen müssen. Das ist eine Art Selbstverpflichtung. Wir zeigen damit, dass uns das Thema wichtig ist und wir darüber sprechen. Dadurch sollen die Kandidaten auch dafür sensibilisiert werden, sich in der seelsorglichen Praxis allen Menschen gegenüber verantwortungsvoll zu verhalten. Natürlich könnte auch ein Täter so ein Dokument einfach unterschreiben. Deswegen verlangen wir vom zuständigen Bischof oder Ordensoberen vorab eine Bescheinigung, in der bestätigt wird, dass nichts gegen den Priester vorliegt. Wir schauen da sehr genau hin. Wir verpflichten alle Kandidaten vor Beginn ihres Einsatzes zu einer Präventionsgrundschulung im Bistum und alle fünf Jahre zu einer Vertiefungsschulung. Und sie müssen in regelmäßigen Abständen ein aktuelles erweitertes Führungszeugnis vorlegen.
Frage: Wie lange kann ein Priester aus der Weltkirche im Bistum Münster maximal bleiben und was wird gemacht, wenn ein Kandidat gänzlich ungeeignet ist?
Brunnett: Am Anfang bekommen die Kandidaten bei uns im Bistum einen Vertrag über drei Jahre. Danach gibt es Gespräche mit dem Leitenden Pfarrer in der Pfarrei und dem Priester, in denen seine Arbeit reflektiert wird und ob und wie es weitergeht. Wenn sich zeigt, dass ein Priester keinen ausreichenden Zugang zur deutschen Kultur, Pastoral und Sprache findet, so wird der Vertrag nicht verlängert. Maximal kann ein Priester aus der Weltkirche zehn Jahre bei uns im Bistum bleiben. Das ist ein guter Zeitraum, damit dieser Priester nicht zu sehr der eigenen Heimat entfremdet wird und dort noch anschlussfähig ist. Aber es gibt auch Ausnahmen.
Frage: Auf die allgemeine pastorale Situation hin gesehen: Sind Priester der Weltkirche eher ein Wagnis oder eine Bereicherung?
Brunnett: Ich sehe es vor allem als Bereicherung, dass Priester aus anderen Ländern zu uns kommen. Ich fände es auch umgekehrt sehr bereichernd, wenn mehr Seelsorgende aus unserem Bistum eine Zeitlang in anderen Kulturen dieser Welt tätig wären. Das sind für beide Seiten sehr wertvolle Impulse. Wir lassen uns von anderen Seelsorgekonzepten inspirieren. Auf dem afrikanischen Kontinent werden die Gemeinden oft sehr selbständig geleitet von Katechistinnen und Katechisten. Und in Indien wird der Glaube viel multireligiöser gefeiert und gelebt. Ich finde, unser Pilotprojekt "Willkommenskurs für Priester der Weltkirche" war sehr erfolgreich. Der nächste Kurs beginnt 2025. Die Anfragen dafür laufen schon bei mir ein.