Die Ökumene in Deutschland ist am Tiefpunkt angelangt
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Es ist ein großer Verlust für die Ökumene: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) steigt aus der "Woche für das Leben" aus. Seit 1994 hatten Protestanten und Katholiken die Lebensschutz-Initiative gemeinsam gestaltet – nach 30 Jahren ist damit nun Schluss. Aus Sicht der Deutschen Bischofskonferenz muss diese Entscheidung wie ein Affront wirken. Ihre Glaubensgeschwister hatten den Ausstieg mit der zu geringen Resonanz der "Woche für das Leben" in der Gesellschaft begründet. Dass sie mit den katholischen Bischöfen nicht einmal über ein neues Konzept beraten wollten, zeigt den Zustand der Ökumene zwischen den beiden großen Kirchen in Deutschland: Sie ist an einem Tiefpunkt angelangt.
Das ist kein Wunder, denn zwischen den Kirchen gibt es gerade bei ethischen Themen eine immer kleiner werdende Schnittmenge. Eine der wenigen punktuellen Ausnahmen hiervon ist das Engagement für Geflüchtete. Doch bei vielen Fragen des Lebensschutzes, wie etwa Abtreibungen oder assistierter Suizid, haben die ökumenischen Partner teilweise sehr große Differenzen. Bislang gelang es Protestanten und Katholiken diesen Abgrund in der "Woche für das Leben" zu überbrücken. Nicht umsonst beschäftigt sie sich in diesem Jahr mit dem unverfänglichen Thema der Sinnsuche junger Menschen.
Nun sieht alles danach aus, als wolle sich die EKD von der katholischen Kirche distanzieren. Möglicherweise, um sich aus dem Sturm des katholischen Missbrauchsskandals herauszuziehen, der sich auch auf die Austrittszahlen bei den Protestanten auswirkt. Diese Art der Profilierung wäre scheinheilig, denn die EKD hat es bislang nicht geschafft, die Aufarbeitung von Missbrauch entschieden anzugehen. Zudem birgt die Ausklammerung der Lebensschutz-Themen durch den nun verkündeten Ausstieg die Gefahr, dass die EKD zu einer "Wohlfühl-Kirche" wird. Schließlich kündigte sie an, sich zukünftig auf den "Tag der Schöpfung" konzentrieren zu wollen – ein Thema, das gesellschaftlich besser vermittelbar ist.
Wie geht es nun mit der Ökumene weiter? Eine Schlüsselrolle wird hierbei denjenigen Landeskirchen zukommen, die sich einen Verbleib bei der "Woche für das Leben" hätten vorstellen können. Ihre Bischöfe müssen nun auf die katholischen Amtsbrüder zugehen, um weiter im Dialog zu bleiben. Zu ihnen zählt etwa der württembergische Oberhirte Ernst-Wilhelm Gohl. Er hatte die Entscheidung der EKD öffentlich kritisiert. Man werde auf Landesebene prüfen, wie sich das Format fortsetzen lasse. Es gibt also noch Hoffnung für die Ökumene beim Thema Lebensschutz.
Der Autor
Roland Müller ist Redakteur bei katholisch.deHinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.