Norbert Förster leitet seit 2021 die Diözese Ji-Paraná

Deutscher Amazonas-Bischof: Würde mir "viri probati" wünschen

Veröffentlicht am 24.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Ji-Paraná ‐ Dom Norberto – so wird Norbert Förster in Brasilien genannt. Denn der deutsche Ordensmann ist Bischof der Diözese Ji-Paraná. Im katholisch.de-Interview spricht er über Unterschiede zwischen Brasilien und Deutschland, Spannungen in seinem Bistum und Veränderungen seit der Amazonassynode.

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Seit über 35 Jahren lebt der deutsche Norbert Förster in Brasilien. Am 2. Dezember 2020 hat Papst Franziskus ihn zum Bischof von Ji-Paraná ernannt. Am 27. Februar 2021 wurde Dom Norberto zum Bischof geweiht. Seitdem leitet der 63-Jährige Ordensmann der Steyler Missionare die 93.783-Quadratkilometer große Diözese. Im Interview erzählt er davon, wie Kirche am Amazonas funktioniert.

Frage: Herr Bischof Foerster, im vergangenen Jahr haben Sie bei einem Heimatbesuch in Deutschland gesagt, Sie hätten sich noch nicht so richtig daran gewöhnt, Bischof zu sein. Hat sich das inzwischen geändert?

Förster: Ein bisschen schon (lacht). Es gibt aber tatsächlich einige Dinge, die doch recht schwierig sind und mit denen ich als Priester nichts zu tun hatte. Beispielsweise mit Ehe-Nichtigkeitserklärungen. Das ist auf der einen Seite eine sehr bürokratische Sache, die auf der anderen Seite mit viel menschlichem Leid verbunden ist. In solchen administrativen Dingen die richtige Entscheidung zu treffen, ist nicht einfach. Ich hatte eigentlich einen sehr warmherzigen Priester gefunden, einen studierten und vom Vatikan anerkannten Kirchenrechtler, der mir bei diesen Nichtigkeitsprozessen zur Seite stehen wollte. Vor ein paar Tagen habe ich aber erfahren, dass er beim Schwimmen am Nordstrand des Atlantiks bei São Paulo ertrunken ist. Damit ist alles auf Null gestellt, denn so jemanden muss man lange suchen.

Frage: Was ist aus Ihrer Sicht denn grundsätzlich der Unterschied zwischen einem Bischof am Amazonas und einem Bischof, beispielsweise in Deutschland?

Förster: Wir haben hier kein großes Ordinariat und nicht so viele Zwischenstationen. Wenn bei uns ein Jugendlicher mit dem Bischof reden will und ich im Generalvikariat bin, ist das normalerweise kein Problem und ich bin meistens innerhalb von fünf bis zehn Minuten für ihn da. Und ich versuche mit den Jugendlichen, die ich firme, vorher Briefkontakt aufzunehmen und sie zu fragen, warum sie gefirmt werden wollen, wer Jesus Christus für sie ist und wie sie nach der Firmung ihren Glauben weiterleben wollen. Ihre Briefe beantworte ich dann auch. So ist bei der Firmung selbst das Eis schon gebrochen.

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Frage: Ihr Bistum ist größer als die drei flächenmäßig größten Bistümer Deutschlands zusammen. Wie muss man sich das kirchliche Leben in Ihrem Bistum grundsätzlich vorstellen?

Förster: Unsere Diözese hat 24 Pfarreien und über 1.000 kleine, missionarische Basisgemeinden. Die Pfarreien sind die administrativen Zentren mit größeren Kirchen. Der Glaube wird aber eigentlich an der Basis gelebt, in den kleinen Gemeinden und Häusern. Die Pastoralkoordination haben zwei Frauen übernommen und wir haben jeden Monat ein Treffen mit den Laienleitern aus den Gemeinden, Pastoralsekretariat nennen wir das, das die Richtung der Diözese mitbestimmt. Es geht hier sehr volksnah zu und die Strukturen sind aus meiner Sicht näher an den Menschen – und wir sollten sie auch schlank halten, damit das Geld in den Gemeinden ankommt und nicht in immer größeren Bistumsstrukturen.

Frage: Das klingt erstmal nach einem funktionierenden synodalen Miteinander. Gibt es auch Schwierigkeiten dabei?

Förster: Das passiert alles zum Argwohn einiger extrem konservativer junger Priester, die wir hier im Bistum haben. Die sind gegen Franziskus, gegen Synodalität und gegen das Zusammengehen mit dem Volk Gottes. Es gibt sogar junge Priester, die die Dokumente, die wir als Bischöfe geschrieben haben, einfach verbrennen und nicht an die Gläubigen weitergeben. Sie gehen nicht zu diesen Treffen, weil Laien anwesend sind und mitbestimmen. Es gibt aber auch andere politisch wie kirchlich extrem konservative Gruppen, die etwa durch die Sozialen Netzwerke sehr viele Menschen beeinflussen und so auch den prophetischen Geist kaputt machen.

Frage: Wie gehen Sie mit diesen Spannungen innerhalb Ihres Bistums um?

Förster: Der gute Hirte dieser Priester zu sein, macht mir durchaus zu schaffen. Ich möchte nicht hierarchisch-autoritär regieren und bestrafen. Es ist aber nicht leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Wenn ich Landgemeinden besuche, fahren normalerweise der Priester und ich gemeinsam dorthin. Die Distanzen sind sehr groß und so hat man viel Zeit für Austausch auf dem Weg. Einige dieser Priester fahren dann aber absichtlich in eine andere Richtung, um dem aus dem Weg zu gehen. Ich muss leider damit leben, dass sie nichts von dem umsetzen werden, was gemeinsam mit dem Volk Gottes entschieden wurde. Manche dieser Priester versuchen etwa mit allen Mitteln, Bibelgruppen in den Gemeinden zu verhindern. Dann versuche ich den Menschen dort zu sagen: Der Ortspriester will das zwar nicht, aber ihr müsst wissen, euer Bischof will das sehr wohl. Von den Bischöfen zum Volk Gottes herrscht hier eigentlich in den meisten Fällen ein guter Draht.

„Ich kenne viele verheiratete Männer, bei denen ich denke, dass sie mit einer entsprechenden Vorbereitung eigentlich geweiht werden könnten.“

—  Zitat: Bischof Norbert Förster

Frage: Auf der Amazonassynode wurde 2019 darauf hingewiesen, dass aufgrund des Priestermangels und der Entfernungen einige Gemeinden nur wenige Male im Jahr von einem Priester besucht werden können. Wie ist die Situation bei Ihnen im Bistum?

Förster:  In viele Landgemeinden in meiner Diözese kommt in etwa drei bis viermal im Jahr ein Priester. Vor allem zur Regenzeit ist es oft schwierig, weil dann die Straßen zu Schlamm werden. Es gibt aber andere Diözesen hier am Amazonas, wo in einigen Gemeinden seit zwei Jahren kein Priester mehr war. Auch Wortgottesfeiern mit Kommunionausteilung sind schwierig, weil man konsekrierte Hostien aufgrund des Klimas nicht lange im Tabernakel aufbewahren kann. Sie schimmeln sonst direkt. In diesen Gebieten wird darüber nachgedacht, ob es verheiratete Männer geben könnte, die heute schon die Wortgottesfeiern leiten und die dann mit etwas Vorbereitung auch die Eucharistie feiern könnten. Die Idee ist, dass man beispielsweise Ständige Diakone zum Priester für diese kleinen lokalen Gemeinden weihen könnte.

Frage: Würden Sie sich solche "viri probati" in Ihrem Bistum wünschen?

Förster: Ja, auf jeden Fall. Man müsste schauen, dass die Männer gut vorbereitet sind und dass es eine Spiritualität des Dienstes gibt und es nicht um das Beherrschen geht. Aber ich kenne viele verheiratete Männer, bei denen ich denke, dass sie mit einer entsprechenden Vorbereitung eigentlich geweiht werden könnten.

Frage: Es fehlt also nur das das Okay aus dem Vatikan, dass das ganze passieren darf?

Förster: Das würde ich nicht sagen. Es fehlt auch, dass wir als Bischöfe Amazoniens klare Vorschläge machen, die überhaupt vom Vatikan abgesegnet werden können. Die Gefahr ist sicherlich, dass man zu viel Studium erwartet und es dann eben doch nicht mehr die einfachen Männer aus dem Volk sind. Wenn man in die Bibel schaut, sieht man, dass Petrus Fischer war und andere Apostel, die berufen wurden, etwa Bauern. Da muss man schon ein bisschen aufpassen, dass die lokalen Kirchenführer wirklich ein indigenes Gesicht behalten.

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Frage: Der Synodale Weg der Kirche in Deutschland hat seine Reformforderungen mit theologischen Argumenten untermauert, warum es beispielsweise sinnvoll sein kann, den priesterlichen Pflichtzölibat aufzuheben oder Frauen zu Diakoninnen zu weihen. Sind das Diskussionen, die bei Ihnen im Bistum eine Rolle spielen?

Förster: Im Bistum selbst vielleicht nicht so sehr, unter uns Bischöfen im Nordwesten Brasiliens schon. Für die Weihe von Frauen als Diakoninnen wären wir als Bischöfe sehr offen. Und der Pflichtzölibat hat in der Kirche über Jahrhunderte nicht existiert. Wenn die Kirche den Zölibat freistellen würde, gäbe es wahrscheinlich auch mehr Priester, die ihn wirklich aus Überzeugung leben würden, statt ihn nur in Kauf nehmen zu müssen, um Priester zu werden. Ich denke, darüber sollte die Kirche nachdenken – auch wenn das nicht alle Probleme lösen wird.

Frage: Sie leben und arbeiten seit über 35 Jahren in Brasilien. Welche Veränderungen hat es seit der Amazonassynode dort in der Kirche gegeben?

Förster: Als die Synode vorbei war, kam relativ schnell die Corona-Pandemie und hat alle Treffen für eineinhalb Jahre unmöglich gemacht. Und trotzdem hat die Synode hier am Amazonas einiges in Bewegung gebracht. Was die Synode sehr stark betont hat, sind die ökologische Frage, die Stärkung der indigenen Völker und die Stärkung von indigenen kirchlichen Gemeinden. Das steht jetzt sehr zentral in den pastoralen Planungen der Diözesen. Es gibt aber nach wie vor sehr viele kulturelle Konflikte zwischen Indigenen und der weißen Bevölkerung sowie Zerstörung und Ausbeutung des Regenwaldes. Da hat die Kirche noch eine Menge Arbeit vor sich.

Frage: Was kann die Kirche in Deutschland Ihrer Meinung nach von der Kirche am Amazonas lernen?

Förster: Viele Dinge in der Kirche laufen hier viel einfacher und unbürokratischer ab. Da geht es gar nicht so sehr um uns Bischöfe, sondern um die Menschen in den einfachen Gemeinden vor Ort, wie die ihren Glauben leben. Das ist aber etwas, das man schwer beschreiben kann und das man einfach miterleben muss. Und ich glaube, dass die Kirche insgesamt zu weit weg ist von gesellschaftlichen Randgruppen, seien es Indigene, seien es Migranten oder arme Menschen. Die Kirche muss nicht alles gutheißen, was geschieht, aber bei den Menschen sein, sie so annehmen, wie sie sind. Das betont auch Papst Franziskus immer wieder. Wir müssen raus aus unseren kirchlichen Burgen und viel mehr unter den Menschen sein.

Von Christoph Brüwer