Standpunkt

Das Auseinander der Kirchen wird sich fortsetzen – zu ihrem Schaden

Veröffentlicht am 19.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Thomas Seiterich – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die "Woche für das Leben" als Beispiel: Thomas Seiterich beobachtet bei den beiden großen Kirche in Deutschland einen "Prozess des Auseinanders". Doch wenn jede ihr eigenes gesellschaftspolitisches Süppchen kocht, sei Misserfolg vorprogrammiert.

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Absturz anstelle sanfter Landung. Die erschütternd hohen Zahlen derer, die im Jahr 2022 ihre Kirche durch Austritt verlassen haben – über 520.000 Katholiken und rund 380 000 Protestanten – ziehen vielerorts Rückzüge nach sich. Dabei geht der Ökumene als dem öffentlichen Seit' an Seit' der beiden immer noch einigermaßen großen Kirchen die Luft aus. Es ist ein Prozess des Auseinanders. Er hat begonnen und wird sich voraussichtlich fortsetzen. Leider. Zum Schaden jeder der beiden Kirchen. Und zum Schaden der Gesellschaft.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist aus der ökumenischen "Woche für das Leben" ausgestiegen. Das beschloss der Rat der EKD Ende Juni. Man werde sich ab dem kommenden Jahr in anderen Formaten für Themen des Lebensschutzes einsetzen, teilte die EKD dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz mit.

1991 hatte die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken die bundesweite Aktionswoche ins Leben gerufen, 1994 hatte sich die EKD angeschlossen. Obgleich als Ziel ausgegeben wurde, gemeinsam für den Schutz menschlichen Lebens in all seinen Phasen einzutreten, stand die Woche anfangs unter dem Vorzeichen des Anti-Abtreibungskampfes. Doch dank des Engagements von Protestanten wurde der Focus stark geweitet. Es verloren sich sektiererische Züge.

Auseinander statt miteinander. Als im Juli katholische Laien und Bischöfe öffentlich ihre Bereitschaft zum Engagement gegen die Klimakrise bekundeten, blieben sie allein. Die Evangelischen Kirchen waren da schon monatelang durch. Sie hatten ihre Wende zum Klima-Engagement absolviert, als die Katholiken vollauf mit ihren dringend nötigen Reformen befasst waren.

Die Geschichte der Bundesrepublik lehrt: Wenn beide Kirchen gemeinsam auftraten hatten sie oft die Kraft, gesellschaftlich etwas zu bewegen. Wenn dagegen eine der Kirchen allein auftrat, wie die Protestanten 1994 bei ihrem Kampf für den Erhalt des Buß- und Bettags, dann führt das zu Misserfolg. Der droht auch in Zukunft, wenn jede der Kirchen gesellschaftspolitisch vornehmlich in der eigenen Küche kocht.

Von Thomas Seiterich

Der Autor

Thomas Seiterich ist Ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift "Publik-Forum".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.