Evangelische Kirche sieht Corona-Politik in Teilen kritisch
Teile der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland sehen drei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie die getroffenen politischen Entscheidungen kritisch. Viele Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit seien fürchterlich überzogen gewesen, sagte der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer im Rahmen einer Diskussionsrunde der Internationalen Martin Luther Stiftung in Erfurt. Aber heute sei der Erkenntnisstand ein anderer als zu Beginn der Pandemie.
Kritische Stimmen, auch aus seiner Kirche, seien medial nicht durchgedrungen. Es habe in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland schöne Momente, aber auch Totalversagen gegeben. So sei einerseits mehr Zeit für seelsorgerische Gespräche gewesen. Er verwies auf die Telefonseelsorge und Gespräche "am Gartenzaun", für die sich Seelsorgerinnen und Seelsorger viel Zeit genommen hätten. Andererseits seien Kirchen ohne Not wochenlang geschlossen worden. Die Entscheidungen hätten in der Freiheit der evangelischen Gemeinden gelegen.
Konflikte dauerten teilweise bis heute
Zugleich räumte Kramer ein, dass die Landeskirche ihren Gemeinden "wahnsinnige Zerreißproben zugemutet" habe, wie die staatlichen Vorgaben für Gottesdienste umzusetzen seien. Die daraus entstandenen Konflikte dauerten teilweise bis heute. Kramer rief dazu auf, sich jetzt gegenseitig zu erzählen, wie man diese Herausforderungen erlebt habe, "und nicht zu versuchen, alten Streit rechthaberisch weiterzuführen". Überdies solle die Kirche das Gespräch darüber fördern, wie sehr die Selbstgewissheit vieler Menschen in der Pandemie erschüttert worden sei, ihr Leben selbst gestalten zu können, riet der Bischof. Unter anderem diese Frage führe bis heute zu einer Spaltung der Gesellschaft.
Der Leipziger evangelische Theologe Rochus Leonhardt kritisierte eine fast schon sakrale Verklärung der Impfung von Teilen der Kirche während der Pandemie. In Einzelfällen sei in nicht angemessener Weise sogar "von der Heiligen Spritze" gepredigt worden.
Die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) beklagte Ausgrenzungen in der damaligen Debatte. "Ich wundere mich, wie bis dahin anerkannte Wissenschaftler über Nacht als Spinner beschimpft wurden, weil sie aus ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis heraus der Mehrheitsmeinung nicht folgen mochten", sagte die frühere Pfarrerin. Groß sei nun die Angst vieler Menschen, die Mechanismen der Pandemiebekämpfung könnten sich auch auf anderem Gebiet wiederholen. (cbr/epd/KNA)