Standpunkt

Nun streitet euch, ihr Christen!

Veröffentlicht am 24.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Werner Kleine – Lesedauer: 4 MINUTEN

Bonn ‐ Werner Kleine hat in der Bibel nachgelesen: "In der Kirche muss man nicht alle mögen; bloß lieben muss man sie." Aber das gegenwärtige Miteinander in der Kirche, zeuge wenig von dieser Haltung. Es braucht eine neue Streitkultur, kommentiert er.

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Es mangelt nicht an Vorschlägen, die Kirche aus der Krise zu holen: die langersehnte Umsetzung überfällig erscheinender Reformen, ein besseres Marketing oder einfach mehr beten. Vor allem mit Letzterem delegiert man das Problem an den Höchsten und entlastet sich selbst von der Herausforderung, die die Zeit stellt. Dabei ist die Empfehlung zu beten nicht verkehrt, wenn man sich an dem Gebet Jesu orientiert. Das nämlich hält mit der Brotbitte eine große Herausforderung bereit: "Unser tägliches Brot gib uns heute". Allein in der römisch-katholischen Liturgie wird das Vaterunser dreimal täglich gebetet: In Laudes und Vesper und in der Eucharistiefeier. Und doch fällt Brot nicht einfach vom Himmel. Es ist vielmehr, wie es in dem im jüdischen Danksagungsgebet wurzelnden Begleitgebet zur Gabenbereitung heißt, das Ergebnis göttlich geschenkter Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Gottes Gabe und menschliches Tun müssen zusammenkommen, damit Brot wird.

Wer so betet, wird sicher nicht in die Versuchung geführt werden, die Lösung hausgemachter Probleme von Gott zu erwarten. Wie anders könnte Paulus, der für sich in Anspruch nahm, sich nicht von Gemeinden aushalten zu lassen, sondern seinen Lebensunterhalt mit eigener Hände Arbeit zu erwirtschaften (vgl. 1 Kor 9,3-7.18f) sonst mahnen: "Betet ohne Unterlass!" (1 Thess 5,17) Die Lebensführung als Ganzes soll Gebet sein – und das nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Taten.

Wenn Wort und Tat auseinandergehen, schwindet die Glaubwürdigkeit. Gott selbst ist ohnmächtig, wenn die, die sein Wort im Munde führen, seien sie geweiht oder ungeweiht, den Worten keine Taten folgen lassen. Mit Verlaub – Paulus mahnt auch: "Wagt es einer von euch, der mit einem anderen einen Rechtsstreit hat, vor das Gericht der Ungerechten zu gehen, statt zu den Heiligen?" (1 Kor 6,1) Alles, was Recht ist – aber das gegenwärtige Gebahren, nicht mehr miteinander zu streiten, sondern – gerne öffentlich – übereinander zu reden, schafft nur immer verhärtetere Fronten. Noch eklatanter wird es, wenn Gerichte bemüht werden, um einstweilige Verfügungen oder Unterlassungserklärungen zu erwirken, womöglich noch – entgegen der Weisung Jesu (vgl. Mt 5,33.34a) – untermauert durch eidesstattliche Versicherungen. Im Rom rumort es sicher vor den Mauern: "Ich sage das, damit ihr euch schämt. Gibt es denn unter euch wirklich keinen, der über die Weisheit verfügt, zwischen Brüdern und Schwestern zu entscheiden?" (1 Kor 6,5)

Der Rechtsweg steht jedem offen, aber nicht immer ist man auf rechtem Pfad geleitet. Schon gar nicht, wenn das zu verkündende Wort und das eigene Tun sich widersprechen. Verwundert es wirklich, wenn die, die die eigene Botschaft nicht mehr ernst zu nehmen scheinen, von den Menschen nicht mehr ernst genommen werden?

Es wird Zeit, dass wir anders streiten lernen – hart, aber fair, vor allem aber nicht über Bande. Auch in der Kirche muss man nicht alle mögen; bloß lieben muss man sie. Mehr fordert selbst Jesus nicht.

Von Werner Kleine

Der Autor

Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.