Landwirte erleben abenteuerliche Sommerfrische in Ewiger Stadt

Per Nachtzug zum Papst: Die erste Urlaubsreise eines Bauern-Ehepaars

Veröffentlicht am 29.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Christopher Beschnitt (KNA) – Lesedauer: 

Klingsmoos ‐ Ludwig und Roswitha Rieß sind Bauern und haben ihren Hof bislang kaum länger als einen Tag verlassen. Nun haben sie Urlaub in Rom gemacht. Im Interview berichten die Landwirte von ihren Eindrücken im Vatikan und den letzten Keksen von Papst Benedikt.

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Sommerzeit ist für gewöhnlich Ferienzeit - nicht so für Ludwig und Roswitha Rieß aus Klingsmoos in Oberbayern. Das Bauern-Paar, 62 und 56 Jahre alt, ist jahrzehntelang nie wirklich fort gewesen von zu Hause. Aber dieses Frühjahr kam er für die Rießens doch: der erste Urlaub ihres Lebens. Er führte sie nicht etwa in ein Strandparadies - sondern in den Vatikan. Warum, erzählen die beiden im Interview. Sie berichten von einer abenteuerlichen Anreise, den letzten Keksen von Papst Benedikt und davon, was in Bayern besser ist.

Frage: Herr und Frau Rieß, nach rund 60 Jahren auf der Erde sind Sie erstmals in Urlaub gefahren. Wieso hat's nicht eher geklappt?

Roswitha Rieß: Wir haben bis letztes Jahr Kühe gehabt. Und mit Kühen geht das nicht. Na, es wäre schon gegangen - aber dann braucht man Betriebshelfer, das kommt zu teuer, das rentiert sich nicht. Auch vom Stress her: Man muss die Leute erst einweisen, und wenn man weg ist, hat man ja doch keine Ruhe, man denkt ständig: Läuft alles daheim, stehen alle Kühe brav im Stall oder ist mal wieder eine ausgebüxt?

Frage: Haben Sie sich denn nach Ferien gesehnt?

Roswitha Rieß: Nein, wir kannten ja gar keinen Urlaub. Wir kommen beide aus der Landwirtschaft. Man hat einen Hof, man kann nicht fort, so war das immer. Wobei: Eine Nacht waren wir doch mal weg!

Frage: Ach so?

Roswitha Rieß: Als unser Madl geheiratet hat, vor zehn Jahren. In Würzburg. Mei, war das ein Zinnober! Am Morgen ging's dann noch mal extra früh in den Stall, am nächsten Tag musste man zusehen, dass man am Nachmittag rechtzeitig wieder zurück war ...

Frage: Nun sind Sie die Kühe los und damit eine große Verpflichtung. Erwachte dadurch der Wunsch, jetzt doch mal zu verreisen?

Ludwig Rieß: Nein, dazu mussten wir schon gedrängt werden. Vor allem unser Pfarrer und unser Bua haben uns angetrieben, endlich den Pater Jobi zu besuchen.

Rompilger Ludwig und Roswitha Rieß
Bild: ©Christopher Beschnitt/KNA

Roswitha und Ludwig Rieß zeigen einen Zapfen, den sie von ihrer ersten Urlaubsreise aus dem Vatikan mitgebracht haben.

Frage: Pater Jobi?

Ludwig Rieß: Das ist ein indischer Ordensmann, der in der Pfarreiengemeinschaft Königsmoos, zu der wir gehören, öfter die Urlaubsvertretung für unseren Pfarrer übernommen hat. Zu dem haben wir ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt; ich bin ja Kirchenpfleger. Und der Pater Jobi, der ist kurz davor, seine Doktorarbeit in Rom abzuschließen und nach Indien heimzukehren. Es wurde also langsam knapp, seiner Einladung zu folgen, uns den Vatikan zu zeigen. Na, dann haben wir's halt gewagt und nach 36 Jahren unsere Hochzeitsreise nachgeholt.

Roswitha Rieß: Das war vielleicht ein Abenteuer! Mit dem Zug nach München, das ging ja noch, da waren wir schon mal auf der Wiesn gewesen. Gut, dann in den Nachtzug, der fuhr bis Rom durch. Aber dann standen wir da am Bahnhof Termini und fanden den Ausgang nicht!

Ludwig Rieß: Da konnt ja keiner Deutsch, Bairisch schon gar nicht. Und wir kein Italienisch, auch kein Englisch. Wir waren verloren wie kleine Kinder! Und der Pater Jobi durfte nicht ans Gleis kommen, das geht da nur mit Fahrschein. Also haben wir zig WhatsApps mit ihm hin und her geschrieben, bis wir endlich draußen gestanden sind.

Frage: Aber dann waren Sie plötzlich in der Ewigen Stadt, im Zentrum der Kirche ...

Ludwig Rieß: ... beim Papst ums Eck! 50, 60 Meter vom Vatikan weg hatten wir unser Zimmer. Das war schon mal ein Highlight. Und die Vatikanischen Gärten!

Roswitha Rieß: Traumhaft! Überall Palmen, Kakteen und Papageien, so was hatten wir noch nie gesehen. Auch am Hubschrauberlandeplatz vom Papst waren wir!

Ludwig Rieß: Wir haben ja Sachen gesehen, zu denen kein Normalsterblicher hinkommt, weil der Pater Jobi sich so gut auskennt und so gute Kontakte hat. Das war ja kein Pauschaldings-Schmarrn, was wir gemacht haben.

Roswitha Rieß: Deshalb haben wir auch öfter super Eis gekriegt - halb so teuer wie bei uns, aber sicher dreimal so groß! Pater Jobi hat uns immer gut am Touristen-Nepp vorbeigeführt. Ach, und wir haben ja auch noch was ganz Besonderes gegessen!

Frage: Was denn?

Roswitha Rieß: Die letzten Kekse vom Papst Benedikt. Wir waren ja im Februar da, da war der Benedikt schon einige Wochen tot, aber ein paar Weihnachtskekse waren noch übrig, die ihm Ordensschwestern gebacken hatten. Die hat uns der Pater Jobi besorgt. So eine Art Butterkekse.

Ludwig Rieß: Lecker waren die.

Frage: Haben Sie sich denn im Vatikan dem Himmel ein Stück näher gefühlt?

Ludwig Rieß: Da stehen schon viele Kirchen. Und was für welche. Allein der Petersdom - gigantisch! Und wir waren in der Papstaudienz. Das war ein Erlebnis. Aber meinen Glauben, den hab ich überall - am Feldkreuz wie im Vatikan.

Roswitha Rieß: Ich war ehrlich platt von dem ganzen Prunk. Das hat mich persönlich schon richtig berührt. Weißt, da denkst: Ja, du hast doch den richtigen Glauben. Die ganzen Heiligen, diese Kunst, die Pieta im Petersdom, das Grab vom Papst Benedikt - das alles hat mich wirklich im Innersten sehr angesprochen. Auch, dass alles da so alt ist. Mei, hab ich mal gedacht, vielleicht ist über dieses Pflaster da schon der Jesus gelaufen.

Ludwig Rieß: Na, eher nicht.

Roswitha Rieß: Der Cäsar wenigstens.

„Die ganzen Heiligen, diese Kunst, die Pieta im Petersdom, das Grab vom Papst Benedikt - das alles hat mich wirklich im Innersten sehr angesprochen.“

—  Zitat: Rompilgerin Roswitha Rieß

Frage: Hat Ihnen irgendwas in Rom nicht gefallen?

Ludwig Rieß: Das Bier, das ist in Bayern schon besser.

Roswitha Rieß: Aber der Wein war wunderbar, ich hab zwei Flaschen mitgebracht.

Frage: Gibt's weitere Souvenirs?

Roswitha Rieß: Einen ganz tollen Zapfen hab ich aus den Vatikanischen Gärten mitgenommen. Der schaut aus wie eine Rose. Und über 500 Bilder haben wir ausgedruckt - drei Alben voll.

Frage: Wie haben Sie sich eigentlich früher ohne Urlaub erholt?

Roswitha Rieß: Ich stricke gern und nähe Dirndl.

Ludwig Rieß: Mei, mir ist nie was abgegangen. Die Landwirtschaft war von klein auf mein Ding, die Maschinen besonders. Ich tät mein Leben wieder so leben.

Frage: Hegen Sie denn weitere Reiseträume?

Ludwig Rieß: Ja mei, der Pater Jobi wird wie gesagt bald wieder in Indien sein. Und unser Pfarrer Thomas, der kommt ja auch aus Indien. Der wird hoffentlich noch ein paar Jahre bei uns bleiben, aber dann wohl auch irgendwann zurück in seine Heimat gehen. Beide haben uns schon eingeladen. Schaun mer mal, ob's unsereins tatsächlich noch ins Flugzeug schafft.

Von Christopher Beschnitt (KNA)