Theologin Rahner fordert volle Geschlechtergerechtigkeit in Kirche
Die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner hat angesichts der Weltsynode im Oktober davor gewarnt, die Frage der Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche weiter zu vertagen. "Hier nichts entscheiden zu wollen und noch abzuwarten, ist dabei auch eine Entscheidung", schreibt Rahner in einem Beitrag für die Zeitung "Christ in der Gegenwart" (Sonntag). Die Alternative von Gleichberechtigung sei Diskriminierung, so die Theologin. Letztlich gehe es dabei um die Geltung der Menschen- und Grundrechte in der Kirche.
Rahner schreibt mit Blick auf die Synode, wer meine, die Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit und der Zulassung von Frauen zum Weiheamt mit einem "Diakonat light" abspeisen zu können, habe nicht verstanden, dass es ein "bisschen" Gleichberechtigung nicht geben könne.
Dazu reiche ein einfacher "Haltungswechsel" im Miteinander, wie ihn das Arbeitspapier der Bischofssynode vorschlage, laut Rahner nicht aus. "Wer Diversität und Pluralität mit der oberflächlichen Buntheit der Gesichter und deren Inszenierungen bei gleichbleibender zentralistisch-hierarchischer und klerikalistischer Grundhaltung verwechselt, hat die entscheidende Herausforderung (noch) nicht verstanden." Dass jede siebte Stimme auf der Synode eine Frauenstimme sei, empfindet die Theologin als Feigenblatt.
Rahner: Vatikan in Sachen Frauen nicht angemessen aufgestellt
Vielmehr brauche es strukturelle Veränderungen in Kurie und Weltkirche so Rahner. "Nicht nur in der römischen Zentrale scheint man bisher in Sachen Frauen weder personell noch strukturell wirklich angemessen aufgestellt; von weltkirchlich oder gar theologisch repräsentativer Vertretung kann dort kaum die Rede sein." Es sei "mehr als zweifelhaft, ob einzelne Frauen in der Leitung einzelner Dikasterien das Grundproblem lösen oder ob sie es nicht vielmehr verschleiern". Rahner fordert daher eine "fundamentalere (Kurien-)Reform", die den Namen verdiene, "weil sie zugesteht, dass die angemessene Teilhabe von Frauen eine Frage von Recht und Gerechtigkeit ist und eben kein Gnadenerweis einzelner, wohlwollender Männer – und sei es des Papstes."
In diesem Zusammenhang gebe es eine offensichtliche Analogie der "systemischen Diskriminierung von Frauen in der katholischen Kirche und einem offenen oder subtilen Rassismus in den USA gegenüber People of Colour". Diese Analogie treffe gerade dort zu, wo "An-Gehört-Werden nicht als eine Frage von Recht und Gerechtigkeit, sondern als Gnadenakt verstanden wird".
Die Rede von Synodalität und einer synodalen Kirche könne erst dort ernst genommen werden, wo sie zu gerechten Beteiligungsmöglichkeiten auf allen Ebenen und mit allen Beteiligten führe. "Diese Geschlechter- und beteiligungsgerechten Strukturen in der Kirche sollten aber nicht auch noch hinter die eingeübten Standards säkularer demokratischer Prozesse zurückfallen", schreibt Rahner. Von der Weltsynode verlangt die Theologin daher ein "klares Bekenntnis zur Notwendigkeit demokratischer Vollzüge in Gesellschaft und Kirche" und "endlich einmal theologisch Grundsätzliches zum Verhältnis von katholischer Kirche und Demokratie festzuhalten". (ben)