Sautermeister zu Segnungen: Seelsorger nicht von Gewissen dispensieren
Angesichts der Diskussionen um die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare hat der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister die Gewissensentscheidung der jeweiligen Seelsorger und Bischöfe betont. "Gewiss, Seelsorge ist anspruchsvoll, aber es geht hierbei ja um nichts weniger als um das Leben von Menschen und das Evangelium. Deshalb kann und darf ein Seelsorger sich auch nicht von seinem Gewissen dispensieren", sagte Sautermeister dem Kölner "Domradio" (Donnerstag). "Pastorale, professionelle und persönliche Integrität lassen sich nicht voneinander trennen." Die Spannungen zwischen pastoraler Sensibilität und lehramtlichen Regulierungen erforderten es, "angemessene Wege in der Seelsorge zu suchen, die auf Jesu Umgang mit den Menschen, insbesondere mit den Missachteten, Leidenden und Ausgegrenzten rückbezogen sind".
Zuvor war der Priester Herbert Ullmann wegen eines von ihm und der Arbeitsgruppe "Regenbogenkirche für alle" veranstalteten "Segnungsgottesdienstes für alle sich liebenden Paare" von einer unbekannten Person im Vatikan angezeigt worden. Daraufhin sprach der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki eine Verwarnung aus und erteilte die Auflage, dass künftig keine ähnlichen Segnungsgottesdienste mehr stattfinden dürfen. Der Vorgang hat zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen für Ullmann geführt.
Einheitsamt nicht gegen Hirtenamt ausspielen
Sautermeister verwies im Interview auf die Tradition der "pastoralen Klugheit" in der katholischen Kirche. "Damit bezeichnet man die Haltung von Seelsorgern, die der Lebenswirklichkeit und Biografie von Menschen in ihrer je spezifischen Lebenssituation gerecht werden wollen, auch wenn das mit dem Kirchenrecht im Konflikt stehen mag." Dahinter stehe die Einsicht, dass konkrete Lebenswirklichkeiten grundsätzlich nicht durch allgemeine Normen und Regeln erfasst werden könnten.
Sautermeister betonte, dass auch Bischöfe als Hirten eines Volkes und Seelsorger den pastoralen Kriterien unterlägen. "Aus moraltheologischer Sicht kann das Treueversprechen gegenüber Papst und Kirche einen Bischof nicht von seiner Verantwortung für das eigene Entscheiden und Handeln entheben", betonte der Moraltheologe. "Ansonsten würde man ja bloßer Statthalter des Papstes (Vikar) und lediglich ein ausführendes Organ sein." Das Einheitsamt dürfe nicht gegen das Hirtenamt ausgespielt werden. "Ambiguitätstoleranz sollte daher ebenfalls eine bischöfliche Tugend sein."
Nur auf Rom zu verweisen, werde dagegen der Würde des Gewissens aller Menschen und der Würde aller Getauften nicht gerecht. "Meine Sorge ist, dass so die Glaubwürdigkeit der Kirche mit ihrer Botschaft von der liebenden Zuwendung Gottes und ihrer Option für missachtete, diskriminierte Menschen und Menschen an der Peripherie weiter untergraben wird." (cbr)