Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen entscheidet über Zahlung

Missbrauchsbetroffener fordert 600.000 Euro vom Bistum Aachen

Veröffentlicht am 09.08.2023 um 16:28 Uhr – Lesedauer: 

Aachen ‐ Nach dem Kölner Schmerzensgeldurteil verlangt ein Betroffener von Missbrauch 600.000 Euro vom Bistum Aachen. Der Mann wurde als Kind von Kirchenmitarbeitern jahrelang missbraucht. Bisher erhielt er 80.000 Euro.

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Nach dem Kölner Schmerzensgeldurteil zu sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche fordert nun ein Missbrauchsbetroffener 600.000 Euro vom Bistum Aachen. Der 59-jährige soll als Kind von einem Pfarrer und weiteren Kirchenmitarbeitern im Kreis Düren mehrere Jahre lang missbraucht worden sein. Dafür hat er bislang vom Bistum 80.000 Euro in Anerkennung des Leids erhalten. Dieser Betrag sei "keine angemessene Zahlung", heißt es in einem Schreiben des Anwalts des Betroffenen, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. Zuerst hatte die "Aachener Zeitung" über den Fall berichtet.

Neben der Zahlung der sechsstelligen Summe fordert der Jurist auch vom Bistum, alle künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die aus den mutmaßlichen Taten entstehen - also etwa die Kosten für Psychotherapie. Das Schreiben ist an die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) gerichtet, ein von den deutschen Bischöfen eingesetztes, bundesweit tätiges Gremium, das über die Höhe der freiwilligen Zahlungen der Bistümer an Missbrauchsopfer entscheidet.

Die Höhe der zuerkannten Beträge orientiert sich nach Angaben der Kommission "am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder". Sie lag bislang meist unter 50.000 Euro und nur in Einzelfällen höher. In dieser Hinsicht hatte das Landgericht Köln kürzlich eine wegweisendes Urteil gesprochen. Demnach muss das Erzbistum Köln 300.000 Euro an einen Missbrauchsbetroffenen zahlen. Das Gericht stellte eine Pflicht des Erzbistums zur sogenannten Amtshaftung fest. Das Urteil wurde vergangene Woche rechtskräftig.

Frist für Zahlung bis zum 18. August

Der 59-Jährige ist nach Darstellung seines Anwalts zwischen 1972 und 1980 mehrere Hundert Male vergewaltigt und missbraucht worden. Er leide unter posttraumatischen Belastungsstörungen und seit 1994 sei er in psychologischer und psychiatrischer Behandlung, die er teils selbst finanziere. Seit 2012 könne er seinen Beruf nicht mehr ausüben und beziehe eine Erwerbsminderungsrente. An eine Rückkehr in das Arbeitsleben sei nicht mehr zu denken. Der Anwalt beruft sich unter anderem auf das Kölner Urteil - wobei der Geschädigte des Kölner Falls nicht in seinem beruflichen Leben beeinträchtigt sei.

Für die Zahlung der 600.000 Euro hat der Anwalt eine Frist bis zum 18. August gesetzt. Die bislang ausgezahlten 80.000 Euro könnten abgezogen werden. Eine Sprecherin des Bistums Aachen sagte auf KNA-Anfrage, über den Umgang mit der Forderung müsse die UKA entscheiden. Das Bistum halte weiter an dem entsprechenden Verfahren fest. Es sei damit zu rechnen, dass es nach dem Kölner Urteil weiterentwickelt werde.

Der Richterspruch könnte den Weg ebnen für eine Reihe weiterer Klagen gegen die 27 deutschen Bistümer. Die ersten sind bereits am Landgericht Traunstein und erneut am Landgericht Köln anhängig. In den Prozessen werden Forderungen zwischen 300.000 und 800.000 Euro verhandelt. (KNA)