Eremit: Mein Leben ist keine spirituelle Selbstverwirklichung
Norbert Cuypers hat im Orden der Steyler Missionare eine gute Karriere gemacht. Er war Vizeprovinzial, Noviziatsleiter und Spiritual. Doch er sehnt sich nach einem anderen Leben, gibt alles auf und zieht als Eremit an einen kleinen Wallfahrtsort ins Sauerland. Das Leben dort in der Klause ist für ihn die Erfüllung eines Lebenstraumes.
Norbert Cuypers wächst in Köln mit fünf Geschwistern auf. Nach seiner Ausbildung zum Schriftsetzer will er Ordensmann werden. "Damals war ich 20 Jahre alt und in gewisser Weise noch naiv", beschreibt der heute 58-Jährige seine Entscheidung von damals. "Ich folgte einer inneren Spur", erklärt er mit ruhiger Stimme am Telefon. Obwohl sein Vater es lieber gesehen hätte, dass er zur Bundeswehr gegangen wäre. 1984 tritt Norbert Cuypers in den Orden ein und wird Steyler Missionar. In der ersten Zeit der Ordensausbildung arbeitet er als Lehrer an einer Berufsschule in Papua-Neuguinea. Später beginnt er ein Theologiestudium in Österreich und wird zum Priester geweiht. Danach kehrt er als Kaplan wieder nach Papua-Neuguinea zurück und betreut dort einige Gemeinden. 2004 wird er Spiritual im Priesterseminar der Diözese Eisenstadt in Wien.
Immer wieder überlegt Cuypers, inzwischen Leiter des deutschsprachigen Noviziates in Berlin, ob sein Leben im Orden noch einmal eine Vertiefung verlangt. Er zieht sich sogar für mehrere Wochen in ein Kloster in Belgien zurück. Seine Ordensgemeinschaft wählt ihn dann aber als Vizeprovinzial. Doch die damit verbundenen Aufgaben ermüden ihn. Noch einmal wird er nach Berlin für die Ausbildung der Novizen im Orden gerufen. Doch dann gibt er seinem Ordensleben einen neuen Akzent: "Ich wollte meiner Beziehung zu Gott mehr Raum geben und ein stilleres Leben führen" sagt Cuypers. Damals war er Mitte 50.
Sein Ordensoberer unterstützt den Ordensmann auf seinem Weg. Der geht auf die Suche nach einer Einsiedelei und findet vorerst keine, die passte. "Mein geistlicher Begleiter hat mich damals dazu ermutigt, abzuwarten", weiß Cuypers noch. 2020 entdeckt er dann per Zufall eine Ausschreibung auf der Internetseite der katholischen Kirchengemeinde St. Severinus in Wenden. Dort wird ein Einsiedler für die Marienwallfahrtsstätte auf der Dörnschlade in Wenden, das zum Sauerland gehört, gesucht. Die ehemalige Einsiedlerin dort war verstorben und die Stelle somit frei. Pater Norbert bewirbt sich und erhält den Zuschlag. Er zieht in die einfache und kleine Klause am Wallfahrtsort ein. Mit Begeisterung. "Dieser Ort hat mich gefunden", erinnert er sich noch an das Gefühl von damals. Dem leitenden Pfarrer und Kirchenrektor verspricht er, die Wallfahrtsstätte geistlich zu betreuen.
Ausgetreten aus seiner Steyler Gemeinschaft ist Cuypers damals aber nicht. "Da ist nichts abgerissen oder zerbrochen", so der Geistliche, "ich bin weiterhin Missionar, nur anders", erklärt er. Anfangs hätte es zwar auch kritische Stimmen gegeben. Warum er als Missionar nun Eremit werde und in die Einsamkeit gehe, hätten manche gefragt. Aber auch in einer Einsiedelei könne man missionarisch wirken, so der Seelsorger. Das Leben an einer Wallfahrtsstätte sei für ihn ein wichtiger Dienst für andere. Freudig erzählt der Pater, dass er in der Chronik der Klause entdeckte, dass vor vielen Jahren hier auch schon einmal ein Steyler Missionar gelebt hat.
Obwohl Pater Norbert ein Leben in der Abgeschiedenheit führt, möchte er trotzdem für die Menschen da sein, die zur Marienwallfahrtsstätte Dörnschlade kommen. Schon seit 600 Jahren besteht dieser Gnadenort. "Alles, was die Menschen an Sorgen und Bitten hierlassen, nehme ich mit ins Gebet", sagt der Geistliche der mit den Pilgern auf Wunsch auch Beichtgespräche führt. Sein Leben in der Einsiedelei sei schließlich keine "spirituelle Selbstverwirklichung". Einmal in der Woche feiert er einen öffentlichen Gottesdienst in der Kapelle, bis zu 100 Gläubige feiern dann mit ihm.
Auch die Menschen aus dem Pastoralverbund sind froh darüber, dass nun mit dem Ordensmann endlich wieder jemand vor Ort ist. In der denkmalgeschützten Klause des Einsiedlers gibt es wenig Luxus. Fernseher oder Radio brauche er nicht, nur WLAN. Um den Haushalt kümmert sich der Ordensmann selbst. Nach 40 Jahren Leben in Gemeinschaft war das eine Herausforderung, erzählt Pater Norbert. Anfangs musste er erst für sich herausfinden, wie das geht, so allein zu leben. "Es sagt einem ja keiner, wie genau ein Eremit zu leben hat". Eine befreundete Eremitin habe ihm dann hilfreiche Tipps gegeben. Es brauche viel Disziplin und eine alltägliche Routine, um den Tag in der Stille zu strukturieren, so der Ordensmann. Für seine Aufgaben am Wallfahrtsort und als Aushilfsgeistlicher im Wendener Pastoralverbund bezieht er ein kleines Gehalt vom Erzbistum Paderborn. Für einen Eremiten eine wichtige Lebensgrundlage.
Weil er kein Auto besitzt, geht er zum Einkaufen ins nahegelegene Wenden die vier Kilometer zu Fuß durch den Wald. Er habe aber auch Bekannte, die ihn mit dem Auto mitnehmen würden, wenn es draußen nass oder kalt ist, erklärt er. Jeden Morgen um kurz vor acht Uhr sperrt er die kleine Kapelle am Waldrand auf. Sie liegt wenige Meter neben seinem kleinen Wohnhaus, der Eremitenklause. Danach zieht sich Pater Norbert wieder nach drinnen in die Stille zurück, wie er seine Zeit im Schweigen beschreibt. Handy und Computer sind aus. "Vormittags bin ich für niemanden erreichbar", erklärt er. Diese Zeit gehört dann nur dem Gebet und der Schweigemeditation, so der Ordensmann. Er schreibt auch ein Tagebuch, liest spirituelle Literatur und hört Podcasts.
Von Anfang an hat sich Cuypers einen Gebetsraum in seiner Klause eingerichtet mit Ikone und Ewigem Licht. Für ihn ist das Beten wie ein Hören auf Gott. "Und um hinhören zu können, muss man auch mit gewissen Dingen aufhören", meint der Eremit. Nach dem Mittagessen bleibt dann noch genügend Zeit für Haushalt, Computer und Gespräche mit Besuchern. Manche seien neugierig, wie er hier lebt, räumt Pater Norbert ein. Für alle, die ihn ansprechen, habe er ein offenes Ohr und viel Zeit. Die Kraft dazu habe er aus der Stille. Abends schließt der Steyler Missionar dann wieder die Kapelle zu und genießt die stillen Stunden des Abends in der Einsiedelei. Das Leben hier in der Einsamkeit ist keine Flucht vor der Welt, betont der Steyler Missionar. "Diese Stille stillt mich und gibt mir Kraft für mein Leben." Für Cuypers ist es das, wonach er sich so lange gesehnt hat. Wie lange er noch dort bleiben kann, wird sich erst im Gespräch mit den Ordensoberen weisen. Noch kann Pater Norbert Cuypers in seiner Klause wohnen bleiben. Ab Herbst wird die Kapelle des Wallfahrtsortes saniert und für einige Zeit für Besucher geschlossen. Dann wird es hier noch stiller werden, meint Pater Norbert. "Aber ich bin weiterhin da."