Will Kirche überhaupt gehört werden?
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Hand aufs Herz, liebe Leserin, lieber Leser, dieses "Standpunkts": Haben Sie mitbekommen, dass in diesem Sommer die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) zusammen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in ökumenischer Einstimmigkeit den "3. Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit weltweit 2023. Eine christliche Perspektive auf ein universelles Menschenrecht" veröffentlicht hat? Nein? Sie sind damit in bester Gesellschaft – und auch ich persönlich kann es Ihnen nicht verübeln!
Nur um eines klarzustellen: Meines Erachtens handelt es sich bei diesem gemeinsamen Papier um das Beste, was in diesem Jahr bislang aus kirchenamtlicher Feder geflossen ist: Wirklich jede einzelne dieses 182 Seiten starken Texts ist lesenswert! Die wirklich globale und themenreiche Perspektive ist in jeder Hinsicht horizonterweiternd; die geballte fachwissenschaftliche Expertise in so kompakter Form macht es zu einem regelrechten Nachschlagewerk – etwa in der Frage der mangelnden Religionsfreiheit von "domestic migrant workers" (S. 35f.) oder im Hinblick auf Israel und Palästina (S. 136-142); und der nüchterne, unaufgeregte Ton versachlicht wohltuend die so wichtige Debatte um dieses zentrale Menschenrecht.
Staunend nimmt man jedoch wahr, wie wenig Interesse es von den beiden Kirchen gibt, dass dieser gemeinsame Text eine gesamtgesellschaftliche Debatte auslöst: Der DBK war die Veröffentlichung lediglich zwei Facebook-Postings und zwei Tweets wert, der EKD sogar nur jeweils eins – alle unter jeglicher Wahrnehmungsschwelle. Da weder die EKD-Ratsvorsitzende noch der Vorsitzende der DBK in den Sozialen Medien aktiv sind, war’s das auch schon. Die kirchlichen Medien haben pflichtschuldig kurz berichtet, in der sonstigen Medienlandschaft wurde der Bericht offensichtlich nicht mal ignoriert und das Ausland hat gar nichts mitbekommen.
So hat es mich nicht gewundert, als ein deutscher Spitzendiplomat mich die Tage angesprochen hat, warum denn die beiden großen Kirchen in Deutschland sich nicht zur aktuellen Situation in Israel und Palästina – unter dem Aspekt der Religionsfreiheit – äußern würden und kurz davor ein Abgeordneter des Deutschen Bundestags, warum denn die Kirchen nicht ihre ureigene Kompetenz nutzen würden, um notwendige gesellschaftliche Debatten anzustoßen, wie etwa das Zusammenleben und das Miteinander von religiösen und nicht-religiösen Menschen in Deutschland.
Liebe DBK, liebe EKD, Hand aufs Herz: Habt Ihr eigentlich Angst, dass Euer gemeinsamer Text zu einer großen gesellschaftlichen Debatte führen könnte, die dann wahrscheinlich auch nicht frei von heftigen Kontroversen sein würde? Oder warum geht Ihr mit Eurem wirklich hervorragenden Text nicht mehr in die mediale Offensive?
Der Autor
Nikodemus Schnabel OSB ist Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem und Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft (JIGG).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.