Erzbischof Brislin über seine Beförderung und die Lage in Südafrika

Kapstadts Bald-Kardinal: Wunderte mich, dass der Papst von mir wusste

Veröffentlicht am 19.08.2023 um 00:01 Uhr – Von Markus Schönherr (KNA) – Lesedauer: 

Kapstadt ‐ Ende September wird Stephen Brislin zum Kardinal erhoben. Im Interview erzählt der Erzbischof von Kapstadt, wie er von seiner Ernennung erfuhr und was sie für seine Arbeit bedeutet. Dazu spricht er über uneingelöste Versprechen in Südafrikas Politik.

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In einem Monat reist Erzbischof Stephen Brislin (66) zu seiner Kardinalserhebung in den Vatikan. Wie blickt er seiner Beförderung entgegen, und bei welchen Herausforderungen will er in seiner Heimat Südafrika weiter unterstützen? Ein Interview.

Frage: Herr Erzbischof, wann und wie haben Sie von Ihrer Kardinalsernennung erfahren?

Brislin: Ich war zuhause und las Zeitung, als ich eine SMS erhielt. Sie kam aus Thailand; da stand einfach nur: "Gratulation. Es ist gut zu wissen, dass es in Südafrika einen zweiten Rothut gibt!" [einen weiteren Kardinal neben Wilfrid Napier; Anm. d. Red.]. Aber ich wusste nicht, von wem die Nachricht stammte; und noch weniger, was sie bedeuten sollte. Wenige Minuten später rief mich unsere Pressesprecherin in Pretoria an. Sie fragte, ob es stimme – und ich fragte bloß: "Ob was stimmt?" Da hörte ich erstmals, dass ich Kardinal werden sollte. Das kam als völlige Überraschung. Ich wunderte mich, dass der Papst überhaupt von mir wusste.

Frage: Mit welchem Gefühl reisen Sie demnächst in den Vatikan?

Brislin: Ein klein wenig Beklemmung reist mit; schließlich war ich noch nie bei einem Konsistorium. Aber ich freue mich, dass mich einige Leute aus Kapstadt und meinem früheren Bistum begleiten, dass meine Familie und auch ein paar Bischöfe und Priester dabei sein werden. Ich fühle mich unterstützt.

Frage: Wo wird ihr künftiger Fokus liegen – auf der Kirche in Südafrika oder dem Vatikan?

Brislin: Ich werde in erster Linie der lokalen Kirche dienen – und soweit ich weiß, bleibe ich ja Erzbischof von Kapstadt. Aber natürlich gehört nun auch verstärkt der Dienst für die Weltkirche dazu; allem voran, dem Heiligen Vater zu dienen. Zum Glück habe ich hier die Unterstützung eines Weihbischofs.

Frage: Wird der nächste Papst aus Afrika oder vielleicht aus Asien stammen?

Brislin: Das ist durchaus möglich. Papstwahlen sind schwer vorherzusagen. Wenn überhaupt, dann haben 2013 nur wenige mit der Wahl von Papst Franziskus gerechnet. Die Tatsache, dass wir jetzt einen Papst aus einer Entwicklungsregion haben, hat der Kirche eine neue Gewichtung verliehen. Ich begrüße das. Für viele mag das immer noch eine Herausforderung sein; aber es hat positiven Einfluss.

Bild: ©bondsza/Fotolia.com (Symbolbild)

"Rassismus wird hier von sozialer Ungleichheit am Leben gehalten", sagt Erzbischof Brislin über die Gesellschaft in Südafrika. "Ich sehne den Tag herbei, an dem es keinen Unterschied mehr macht, ob man schwarz, weiß, coloured oder indisch ist."

Frage: In etwa einem halben Jahr soll in Südafrika gewählt werden. Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) könnte erstmals seit Ende der Apartheid seine Mehrheit verlieren. Ein Anzeichen, dass er nicht geliefert hat, was er den Südafrikanern vor 30 Jahren versprach?

Brislin: Ja, gewiss. Die Leute sind enttäuscht, dass sich die wirtschaftliche Lage von Millionen Menschen nicht gebessert hat. Natürlich sind wir dankbar für die Demokratie und alles, wofür sie steht: Es gibt Meinungs- und Versammlungsfreiheit, wir sind das freieste Land Afrikas. Aber die Menschen fragen sich, wie sie ihre Familien ernähren, ein vernünftiges Dach über dem Kopf bekommen und ein angemessenes Leben führen sollen. Leider hat diese Art von Wandel in Südafrika noch nicht stattgefunden. Diese Desillusionierung bereitet uns Sorge. Junge Menschen haben das Gefühl, nichts an der Situation ändern zu können.

Frage: 2018 versprach Präsident Cyril Ramaphosa weitreichende Reformen gegen Korruption. Hat er geliefert?

Brislin: Nein. Der Anfang war gut, und es gab ein paar Fortschritte wie etwa die Zondo-Kommission [Korruptionsermittlungen unter anderen gegen Ex-Präsident Zuma und seine Geschäftspartner, Anm. d. Red.]. Doch an der Umsetzung hapert es. Dann gab es auch noch den Phala-Phala-Skandal, bei dem der aktuelle Präsident Cyril Ramaphosa selbst mit Korruption in Verbindung gebracht wurde. Die Antworten, die wir von ihm bekamen, reichen nicht aus. In einer möglichen zweiten Amtszeit, wenn er sich keine Sorgen mehr um seine Wiederwahl machen müsste, könnte er energischer agieren. Möglich, dass wir dann wieder einen neuen Schwung [gegen Korruption] sehen.

Frage: Südafrika sorgt immer wieder durch seine Nähe zu Russland für Schlagzeilen. Ist diese Freundschaft zu rechtfertigen?

Brislin: Ich war enttäuscht, dass Südafrikas Regierung die Invasion der Ukraine nicht klar verurteilt hat. Der Angriff ist nicht hinnehmbar und ein klarer Fall von Aggression. Südafrika ist Teil des BRICS-Bundes (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und will neutral bleiben; das ist nachvollziehbar. Aber auch dieser Kurs fiel durch Zweideutigkeiten auf: ein russisches Schiff, das in einer südafrikanischen Marinebasis ankert; gemeinsame Kriegsübungen mit China und Russland so etwas sendet ein gemischtes Signal, wo wir eigentlich stehen.

Frage: Noch 30 Jahre nach dem Ende der Rassentrennung erleben wir Vorfälle von Rassismus. Wird Südafrika dieses Problem jemals los?

Brislin: Ja, aber die Frage lautet: wann? Man kann Gesinnungen und Rassismus nicht durch Gesetzesänderungen allein verändern. Es ist schwieriger. Ich glaube fest daran, dass wir Rassismus beenden können, wenn Menschen die Chance auf ein anständiges Leben und wirtschaftlichen Aufstieg erhalten; wenn junge Menschen studieren und einen Job finden können. Rassismus wird hier von sozialer Ungleichheit am Leben gehalten. Ich sehne den Tag herbei, an dem es keinen Unterschied mehr macht, ob man schwarz, weiß, coloured oder indisch ist. Aber noch ist er Teil unseres Lebens.

Von Markus Schönherr (KNA)