Danke, Rabbiner Goldschmidt!
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Es waren überdeutliche Worte. Beleidigungen oder Spuckattacken auf Christen in Jerusalem seien ein "klarer Trend" und keine Einzelfälle. "Andersdenkenden und Minderheiten gegenüber wird in Israel im Moment überhaupt sehr wenig Respekt gezeigt." Es gebe "Anfeindungen gegenüber den Vertretern anderer Religionen ..."
Wer sich da äußerte und tief besorgt zeigte, war kein Bischof und kein Kirchenvertreter. Es war nicht einmal ein Christ. Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner, der langjährige Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, beklagte die Attacken auf Christen in Jerusalem. Danke, Rabbiner Goldschmidt! Wenn schon aus der israelischen Regierung, in der ein Rechtsextremer die Innenpolitik prägt, kein deutliches Wort kommt, ist es so wichtig, dass sich der Staatspräsident und, weitaus deutlicher, einer der weltweit wichtigen Rabbiner des Judentums äußerten.
Und Pinchas Goldschmidt brachte diese Klagen nicht irgendwo versteckt, sondern im Interview der "Jüdischen Allgemeinen", einem Interview, das sich nur der Aggression gegenüber Christen widmete. Er wird sich damit gewiss nicht nur Freunde auf jüdischer Seite machen. So vieles daran ist bemerkenswert. Nach Veröffentlichung des Interviews war ich gespannt, welcher führende Kirchenvertreter in Deutschland, ob Bischof oder Laie, für die Klarheit der Worte laut dankt. Außer vom Jerusalemer Benediktinerabt Nikodemus Schnabel fand ich – gerne lasse ich mich korrigieren – kein einziges öffentliches Wort.
Das Interview zeigt ein Weiteres: Es ist gut, auch mal den Mut zu haben und öffentlich über das Leid der Anderen zu sprechen. Wann äußert sich schon mal eine führende kirchliche Stimme zum geradezu tagesüblichen Antisemitismus (und nein, es sind nicht nur migrantische Täter) oder zur wachsenden Islamfeindlichkeit in Deutschland? Erklärt Solidarität oder zeigt sie durch einen Besuch in einer Gemeinde? Warum erklärte bislang niemand aus der Bischofskonferenz, welch historischer Schritt der Umzug der Europäischen Rabbinerkonferenz von London nach München ist? Die Beispiele ließen sich fortsetzen. In einer Gesellschaft, die säkularer, aber eben auch multireligiöser wird, muss man Kontakte mehr pflegen, um sie im Zweifelsfall nutzen zu können.
Der Autor
Christoph Strack ist Leiter des Bereichs Religionen der Deutschen Welle.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.