Anuth: LGBT-Segnungen derzeit nicht im Namen der Kirche möglich
Der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Sven Anuth sieht das Kirchenrecht in der Diskussion um die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften häufig zu Unrecht als Buhmann. Das zugrundeliegende Problem sei die kirchliche Sexualmoral, sagte er am Dienstag gegenüber dem "Domradio". "Wenn sich die Lehre ändert, ist das Recht leicht anzupassen", so Anuth. Solange die Lehre der Kirche festhalte, dass Sexualität außerhalb der Ehe immer als schwere Sünde gilt, gebe es in der amtlich geltenden Sexualmoral keinen Spielraum für eine positive Würdigung gelebter Homosexualität. "Wenn die Kirche anerkennen könnte, dass auch nicht heterosexuelle Liebe geschlechtlichen Ausdruck finden darf, dann fiele das inhaltliche Problem bzw. die inhaltliche Grundlage des Segnungsverbots weg, denn die besteht ja gerade darin, dass die Kirche sagt: Wir können diese Beziehung nicht segnen, weil sie einen Zustand dauerhafter schwere Sünde impliziert", so der Kirchenrechtler weiter.
Die Position seines emeritierten Bonner Kollegen Norbert Lüdecke verteidigte Anuth. Die Kritik an der Position Lüdeckes, dass Segnungsgottesdienste nur "Als-ob-Handeln" seien, da sie nicht im Namen der Kirche gefeiert werden können, sieht er als in der Sache nicht gerechtfertigt: "Denn wenn es um Sakramentalien geht, also um amtliche liturgische Handlungen, durch die im Namen der Kirche und auf Fürsprache und Fürbitte der Kirche hin Gottes Segen für jemanden oder etwas erbeten wird, dann ist das im amtlichen Sinn Liturgie. Sakramentalien kann nur die oberste kirchliche Autorität einführen, ändern oder abschaffen." Ein Segen der Kirche mit dem Anspruch, vermittelnd zwischen Gott und dem Menschen aufzutreten, sei etwas anderes als der private, individuelle Segen: "Dieses amtliche Handeln im Namen der Kirche ist nicht in die freie Gewissensentscheidung von Seelsorgenden gestellt, sondern unterliegt den kirchlichen Regeln und den kirchlichen liturgischen Büchern."
Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit Betroffenen gegenüber
Anuth plädierte für mehr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit den Betroffenen gegenüber: "Ich finde, man sollte ihnen klar sagen, ob eine liturgische Handlung den Segen der Institution Kirche impliziert oder ob es sich 'nur' um den Segen einzelner Seelsorgender handelt. Der kann den Paaren ja trotzdem guttun und sie können ihn als Zuspruch, als Gutheißung empfinden, sollten aber ehrlicherweise wissen, dass dann ein solcher Segen nicht im Namen der Kirche geschieht." Er könne sich aber vorstellen, dass das vielen nicht genüge, solange im Katechismus weiterhin steht, dass Homosexualität in sich ungeordnet und alle homosexuellen Handlungen ausnahmslos immer in sich schlecht sind. "Wenn aber jemand mit dieser Lehre leben kann und sich trotzdem segnen lassen möchte, dann respektiere ich das."
Die vatikanische Glaubenskongregation hatte 2021 festgestellt, dass die Kirche keine Vollmacht habe, "Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen". Es sei "nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist) einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist". Die Entscheidung der Behörde führte zu Widerspruch, kurz darauf fanden als Reaktion in Deutschland erstmals über 100 Segnungsgottesdienste im Rahmen der Aktion "Liebe gewinnt" statt. Der Synodale Weg sprach sich im März 2023 dafür aus, angemessene liturgische Feiern für gleichgeschlechtliche Paare zu entwickeln und einzuführen. Im Juli verwarnte der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki den Mettmanner Pfarrer Herbert Ullmann, der in seiner Gemeinde einem Segnungsgottesdienst vorgestanden ist. Die Maßregelung sorgt für eine anhaltende Debatte. In Mettmann hält man an Segnungsgottesdiensten fest, wenn auch ohne Ullmann, der sich an die Auflagen seines Erzbischofs halten will. (fxn)