Standpunkt

Die Kirche braucht kulturelle Vielfalt statt römischen Zentralismus

Veröffentlicht am 25.08.2023 um 00:01 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 

Bonn ‐ Papst Franziskus hat kulturelle Sensibilität bei der Verkündigung des Evangeliums beschworen. In den Entscheidungen des Vatikans spiegelt die sich aber nicht wider. Björn Odendahl meint: Das muss sich ändern!

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Die römisch-katholische Kirche ist eine Weltkirche. Für sich genommen, klingt der Satz erst einmal neutral. Er ist eine schlichte Feststellung. Doch meist kommt dieser Satz nicht allein, sondern dient als Munition in kirchenpolitischen Abwehrgefechten: Weil wir eine Weltkirche sind, können wir nicht einfach in Deutschland homosexuelle Paare segnen, es in Norwegen aber sein lassen. Weil wir eine Weltkirche sind, können wir nicht im Amazonasgebiet oder in Australien "viri probati" einfach zu Priestern weihen und in Italien darauf verzichten.

Weltkirche wird in dieser Argumentation nicht als eine sich auch gegenseitig befruchtende Vielfalt von Kulturen gesehen, die die Kirche als Ganzes bereichert, sondern als etwas Defizitäres, das deshalb unter römischem Zentralismus in ein uniformes Korsett gezwängt werden muss. Kulturelle Eigenheiten werden so jedoch nicht gefördert und in die römisch-katholische Kirche integriert, sondern ausgeschlossen – und mit ihr gleich die Menschen, die die Kulturen mit Leben füllen.

Dabei sollte es so nicht sein. Erst in dieser Woche beschwor Papst Franziskus kulturelle Sensibilität bei der Verkündigung des Evangeliums: Statt den Weg der Inkulturation einzuschlagen, habe man sich allzu oft für den schnellen Weg der Einpflanzung und des Aufzwingens vorgefertigter Modelle entschieden. Er bezog sich dabei zwar auf die Marienerscheinungen von Guadalupe und die Kolonialzeit im 16. Jahrhundert. Doch ist das Thema noch lange nicht Geschichte. In Australien beklagt ein Bischof, dass er wegen des Zölibats kaum Priesternachwuchs in der indigenen Bevölkerung findet, weil unverheiratete Männer dort nur ein geringes Ansehen genießen. Und in Mexiko möchten die Bischöfe Riten der indigenen Kultur in die römische Liturgie integrieren, um der Lebenswirklichkeit ihrer Gläubigen gerecht zu werden.

Es wird höchste Zeit, dass sich der päpstliche Wunsch nach kultureller Sensibilität nicht allein in pastoraler Augenzudrückerei bei dem erschöpft, was schon längst entgegen geltender kirchlicher Regeln geschieht. Stattdessen müssen die Regeln selbst geändert werden. Die Weltsynode im kommenden Herbst ist eine gute Möglichkeit, miteinander über die kulturelle Vielfalt zu sprechen. Doch eines ist klar: Letztlich entscheidet der Papst. Weil die Weltkirche eben eine römisch-katholische ist.

Von Björn Odendahl

Der Autor

Björn Odendahl ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.