Kuriose Bistumsgrenzen in Deutschland – Teil 1: "Geteilte" Städte
Bistumsgrenzen in Deutschland sind historisch gewachsen, waren aber auch immer wieder Ergebnisse politischer Umwälzungen. Seit dem 19. Jahrhundert oder spätestens dem frühen 20. Jahrhundert sind sie – zumindest auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik – einigermaßen stabil. Doch politische Grenzen wurden seither immer wieder geändert oder reformiert. Das führt zu aus heutiger Sicht etwas seltsam anmutenden Bistumsgrenzen. Manche kuriosen Grenzen zwischen Diözesen bestehen jedoch schon länger – oft sind dabei Flüsse im Spiel. Im ersten Teil einer kleinen Reihe zu diesem Thema blickt katholisch.de auf "geteilte" Städte, also solche, deren Gebiet sich auf mehrere Diözesen aufteilt.
Nürnberg
Die Erklärung dafür, dass Nürnberg auf dem Gebiet zweier Diözesen liegt – Bamberg und Eichstätt –, ist bereits am Anfang des zweiten Jahrtausends zu suchen. Was heute Nürnberg ist, gehörte damals zum Bistum Eichstätt. Dann kam der damalige deutsche König Heinrich II. und ließ 1007 das Bistum Bamberg gründen. 1016 gelang es ihm, das spätere Nürnberger Stadtgebiet nördlich der Pegnitz aus dem Bistum Eichstätt zu lösen und Bamberg zuzuordnen. Um diese Zeit herum, vermutlich etwas später, wurde Nürnberg gegründet: Als ihr "Geburtstag" gilt der 16. Juli 1050.
1525 führte die Reichsstadt die Reformation ein – katholisches Leben gab es dort fast drei Jahrhunderte lang nicht mehr. Als Nürnberg im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses Anfang des 19. Jahrhunderts an das neue Königreich Bayern fiel, durften auch Katholiken wieder in die Stadt ziehen – doch wer sollte sich um deren Seelsorge kümmern? Eine neue kirchliche Organisation musste her: 1818 wurden die Diözesen Bayerns neu umschrieben. Doch dabei kam es um Nürnberg zu einem "Niemandsland", das von der kirchlichen Organisation zunächst nicht erfasst war. Teilweise wurden die dortigen Katholiken zunächst von der nächstgelegenen Pfarrei betreut. Doch der Zuzug infolge der Industrialisierung machte ein engmaschigeres Betreuungsnetz nötig. Beim Ausbau der Pfarreien konnte auf die vorreformatorischen Bistumsgrenzen nicht immer Rücksicht genommen werden. Dies führte zu einer ersten Grenzbereinigung zwischen Eichstätt und Bamberg im Jahre 1913, die von der damaligen Nürnberger Stadtgrenze ausging: Eichstätt verzichtete zugunsten Bambergs unter anderem auf die seit 1899 in die Stadt Nürnberg eingemeindeten Gebiete, die auf seinem Territorium lagen.
Durch weitere Eingemeindungen nach Nürnberg war diese Vereinbarung allerdings bald überholt. 1939 wurde im Süden der Stadt die Diözesangrenze nochmals modifiziert. Da die Siedlungstätigkeit im Süden auch in der Nachkriegszeit voranschritt, begannen beide Diözesen 1951 neuerlich mit Verhandlungen wegen Grenzanpassungen, die allerdings erfolglos blieben. Der Süden Nürnbergs gehört so bis heute zur Diözese Eichstätt.
Landshut
Wir schreiben das Jahr 1157. Landshut, die heutige Hauptstadt des bayerischen Regierungsbezirks Niederbayern, existiert damals offiziell noch gar nicht. Doch bereits vor der Stadtgründung gab es auf dem Areal der heutigen Burg Trausnitz eine strategisch wichtige Wehr- und Wachsiedlung an der Isar, die etwa um das Jahr 1150 als "Landeshuata" urkundlich erwähnt wird. Die Bischöfe der Bistümer Freising und Regensburg, deren Grenzgebiet zur damaligen Zeit etwas anders, aber in der Nähe des späteren Landshuts verlief, wollten einen dort vom bayerischen Herzog geplanten Übergang über die Isar aufwerten und in ihrem Besitz sehen. So kam es zu zähen Verhandlungen, die schließlich 1157 in eine Grenzbereinigung mündete: Die Diözesangrenze in späteren Landshuter Stadtbereich war nun die Isar. Das ist bis auf den heutigen Tag so: Die Pfarreien nördlich der Isar gehören zum Bistum Regensburg, die südlichen Pfarrgemeinden (mit einer Ausnahme) zum Erzbistum München und Freising. Die Stadt Landshut wurde übrigens 1204 gegründet.
Bremen
Einst war Bremen Sitz des großen Erzbistums Hamburg-Bremen. Heute gehört ihr Großteil zum Bistum Osnabrück, der Stadtbezirk Bremen-Nord zum Bistum Hildesheim. "Schuld" daran ist die Reformation und ihre Folgen: Die Reformation fasste im ehemaligen Erzbistum schnell Fuß. 1648 wurde es aufgelöst, für die Seelsorge katholisch gebliebener Bevölkerungsteile richtete die römisch-katholische Kirche 1667 das Apostolische Vikariat des Nordens ein. Im 19. Jahrhundert wurden im Zuge der diözesanen Neuordnung in Deutschland die Katholiken im Bremer Stadtgebiet dem Bistum Osnabrück unterstellt, die im übrigen früheren Bremer Bistumsgebiet dem Bistum Hildesheim. Nördlich des Flüsschens Lesum wurden 1939 zuvor eigenständige Orte, die zum Bistum Hildesheim gehören, nach Bremen eingemeindet – so kam es dazu, das Bremen heute in zwei Diözesen liegt.
Hamm (Westfalen)
Durch Hamm verläuft schon seit Jahrhunderten eine Diözesangrenze – und zwar entlang der Lippe. Das Gebiet nördlich des Flusses gehörte und gehört zum Bistum Münster, während das Gebiet südlich der Lippe bis in die frühe Neuzeit Teil des Erzbistum Köln war. Nach der Neuordnung der preußischen Bistümer kam das Gebiet südlich der Lippe zum damaligen Bistum, später Erzbistum Paderborn.
Frankfurt am Main
Frankfurt am Main ist gleich dreigeteilt – zwischen den Bistümern Limburg, Mainz und Fulda. In der Bankenmetropole gibt es rund 160.000 Katholiken, die meisten davon (151.100) zählen zum Bistum Limburg. Schließlich war Frankfurt von Anfang an eines der Kerngebiete der nach dem Wiener Kongress neu errichteten Diözese. Die 1972 eingemeindeten Stadtteile Harheim, Nieder-Eschbach und Nieder-Erlenbach gehören zum Bistum Mainz, welches das Territorium des ehemaligen Großherzogtums Hessen abdeckt. Bergen-Enkheim ist seit seiner Eingemeindung 1977 der östlichste Stadtteil von Frankfurt am Main und gehört zum Bistum Fulda.
Essen und weitere Städte im Ruhrgebiet
Dass selbst Teile von Bischofsstädten zu anderen Bistümern gehören kommen, zeigt das Beispiel von Essen: Der Stadtteil Kettwig war bis zur Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen eine eigene Stadt und gehörte zum Kreis Düsseldorf-Mettmann – und damit zum Erzbistum Köln. Das tut Essen-Kettwig bis heute.
So wie Kettwig ging es auch anderen Orten, die in größere Städte im Ruhrgebiet eingemeindet wurden. Mülheim an der Ruhr-Mintard etwa gehört zum Erzbistum Köln, alle anderen Stadtteile von Mülheim gehören zum Bistum Essen. Mülheim-Mintard und Essen-Kettwig bilden sogar zusammen eine Gemeinde. Die Stadt Hagen gehört zum Erzbistum Paderborn, abgesehen von Hagen-Dahl, das zum Bistum Essen gehört. In Duisburg ist die Lage etwas komplexer: Der rechtsrheinische Teil gehört größtenteils zum Bistum Essen, der linksrheinische zum Bistum Münster. Ausnahme ist der Stadtteil Walsum ganz im Norden, der rechtsrheinisch liegt, aber zum Bistum Münster gehört, da Walsum ursprünglich im Kreis Dinslaken lag. Kirchhellen, ein Teil von Bottrop (Bistum Essen), gehört weiter zum Bistum Münster, da es ursprünglich im Kreis Recklinghausen lag.
Städte im Saarland
Im Saarland verlief einst die Grenze zwischen Preußen und der zu Bayern gehörenden Pfalz. Das zeigt sich bis heute daran, dass in dem Bundesland das Bistum Trier an das Bistum Speyer angrenzt. Auch hier führten Eingemeindungen dazu, dass durch Städte die Diözesangrenze verläuft. Das betrifft sogar die Landeshauptstadt Saarbrücken, die an sich zum Bistum Trier gehört. 1974 wurden die Orte Ensheim und Eschringen, die beide zum Bistum Speyer gehörten, Stadtteile von Saarbrücken. Genauso ist die Situation in der Stadt St. Wendel, deren Kern ebenfalls zum Bistum Trier)gehört. Hier wurden gleich mehrere Dörfer im Ostertal eingemeindet, die bis heute zum Bistum Speyer gehören.
Umgekehrt ist es in St. Ingbert. Die Stadt gehört an sich zum Bistum Speyer. Die Eingemeindung des Ortes Rentrisch sorgte dafür, dass ein Teil des Stadtgebietes inzwischen im Bistum Trier liegt. Gleichzeitig wurde jedoch der ehemalige Stadtteil Schnappach (Bistum Speyer) an die Stadt Sulzbach (Bistum Trier) angeschlossen.
Wiesbaden
Die hessische Hauptstadt Wiesbaden, auf der gegenüberliegenden Rheinseite der rheinland-pfälzischen Hauptstadt Mainz gelegen, ist an sich Teil des Bistums Limburg, weil sie einst zum Herzogtum Nassau gehörte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden von der Verwaltung der Alliierten die rechtsrheinischen Mainzer Stadtteile wie Mainz-Kastel nach Wiesbaden eingemeindet. Kirchlich blieben diese aber beim Bistum Mainz.
Ingolstadt
Das an sich im Bistum Eichstätt liegende Ingolstadt befindet sich verdächtig nahe an der Bistumsgrenze zu Augsburg – kein Wunder, dass Eingemeindungen auch hier dazu führten, dass das Stadtgebiet in mehreren Bistümern liegt. Konkret handelt es sich um den Stadtteil Zuchering, der zum Bistum Augsburg gehört.
Weitere kleinere Städte
Mit rund 88.000 Einwohnern ist die baden-württembergische Doppelstadt Villingen-Schwenningen die größte Gemeinde in Deutschland mit einem Doppelnamen. Dass Villingen bis zur Kreis- und Gemeindereform 1972 dem badischen und Schwenningen dem württembergischen Landesteil angehörte, wirkt bis heute nach: Die Kirchengemeinden in Villingen gehören zum Erzbistum Freiburg, die in Schwenningen zum Bistum Rottenburg-Stuttgart. Weitere Beispiele für "geteilte" Städte in Baden-Württemberg sind Friedrichshafen (Bistum Rottenburg-Stuttgart außer dem früher badischen Stadtteil Kluftern), Horb am Neckar (Bistum Rottenburg-Stuttgart außer Stadtteile Betra, Dettensee, Dettingen, Dettlingen und Dießen, die einst zum Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen gehörten und damit zum Erzbistum Freiburg zählen) und Tuttlingen (Bistum Rottenburg-Stuttgart außer die früher badischen Stadtteile Eßlingen und Möhringen).
Dass immer wieder Flüsse eine Rolle bei Diözesangrenzen spielen, wird auch am Beispiel von Bingen deutlich. Die Stadt am Rhein gehört größtenteils zum Bistum Mainz. Doch jenseits des Rhein-Zuflusses Nahe, der die Bistumsgrenze bildet, liegt der Stadtteil Bingerbrück. Dieser gehört zum Bistum Trier.
Wie Frankfurt am Main ist auch Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz dreigeteilt. Die Kernstadt liegt im Bistum Trier; 1969 wurden die zuvor rheinhessischen Orte Bosenheim, Ippesheim und Planig, die alle im Bistum Mainz) liegen, eingemeindet. 2014 kam die Stadt Bad Münster am Stein-Ebernburg zu Bad Kreuznach. Bad Münster am Stein-Ebernburg war bereits seit seiner Fusion 1969 auf zwei Bistümer verteilt: Bad Münster am Stein gehörte zum Bistum Trier, Ebernburg zum Bistum Speyer. Somit liegt inzwischen ein Teil von Bad Kreuznach auch in dieser Diözese.
Ähnlich ist es bei der oberbayerischen Stadt Pfaffenhofen an der Ilm. Die Innenstadt gehört zum Bistum Augsburg, weitere große Teile zu München-Freising und ein kleiner Außenbereich zu Regensburg.
Ein weiteres Beispiel für eine "geteilte" Stadt aus Bayern ist Eggenfelden. Sie gehört zum Bistum Regensburg – bis auf den Stadtteil Gern, der zum Bistum Passau gehört. Das ehemalige Pfarrdorf wurde 1971 in die Stadt eingemeindet.
2.9., 12:45 Uhr: ergänzt um weitere Städte.