Passauer Oberhirte plädiert für biblische Anthropologie in kirchlichen Debatten

Bischof Oster: Wunsch nach Selbstbestimmung von Transpersonen achten

Veröffentlicht am 28.08.2023 um 12:39 Uhr – Lesedauer: 

Passau/Freiburg ‐ Für Bischof Oster kommt die christliche Anthropologie in Debatten über Transpersonen zu kurz. Er wünscht sich Bewusstsein dafür, dass Menschen ihre Leiblichkeit akzeptieren können. Das Selbstbestimmungsgesetz sieht er aber nicht nur negativ.

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Der Passauer Bischof Stefan Oster sieht die Achtung vor dem Wunsch nach Selbstbestimmung von Transpersonen als notwendigen Bestandteil eines christlichen Verständnisses von Wegbegleitung. In einem Beitrag für die Zeitschrift Herder-Korrespondenz (Septemberausgabe) spricht sich Oster dafür aus, anthropologische Fragen in der Kirche vor einem gläubigen und biblischen Hintergrund zu sehen. "Wenn also die Ursachen für Phänomene von Transidentität weitgehend im Dunkeln liegen und jeder Mensch darin seine eigene, unverwechselbare und individuelle Geschichte hat, dann ist die Frage offen, ob ein erneuertes und vertieftes Verhältnis zum Erlöser dem je Einzelnen auch in ein mehr erlösendes und erlöstes Verhältnis zur eigenen Leiblichkeit helfen kann", so der Bischof.

Oster nimmt wahr, dass es nicht wenige Erfahrungsberichte darüber gebe, dass die konkrete Leiderfahrung von Transpersonen massiv gemildert werden könne, "etwa durch die derzeit diskutierte Möglichkeit einer vereinfachten personenstandsrechtlichen Regelung oder auch durch operative oder hormonelle Angleichung an ein anderes Geschlecht". Diese Erfahrungen könne auch die Kirche mit ihrem Glaubenshintergrund nicht ignorieren, sie sei vielmehr aufgefordert, "sie sensibel wahrzunehmen und zu begleiten".

Mit Blick auf das geplante Selbstbestimmungsgesetz spricht sich Oster vor dem Hintergrund einer biblischen "Anthropologie der Transformation" dafür aus, dass "die Möglichkeit sowohl für den veränderten Geschlechtseintrag wie für geschlechtsangleichende Maßnahmen grundsätzlich eher so spät wie möglich und so defensiv wie möglich gegeben sein sollte". Ihm sei aber auch bewusst, dass es Menschen gebe, "die dieses 'eher spät und eher defensiv' als eine für Einzelne kaum erträgliche Verlängerung eines Leidensweges erleben und deuten". Daher gelte auch: "Wir selbst können als gläubige Menschen der Kirche den Glauben an Christus, der lebensverändernd sein und zu mehr erlebter Ganzheit und Selbstannahme und zu tieferer Freude führen kann, immer nur einladend vorschlagen und selbst bezeugen – aber nie dazu nötigen." Sowohl persönlich als auch als Amtsperson der Kirche in seiner Mitverantwortung für die Lehre der Kirche sehe er, dass es staatlichen Regelungsbedarf "in diesen für uns so herausfordernden Fragen" gebe.

Laut dem in der vergangenen Woche vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf für das "Selbstbestimmungsgesetz" sollen transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen künftig ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen einfacher ändern können. Zur Änderung des Geschlechtseintrags soll künftig eine "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt ausreichen. Die Reform betrifft nicht geschlechtsangleichende Operationen. Nach dem Beschluss begrüßte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) das Vorhaben. "Dass das Bundeskabinett heute den Gesetzentwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz beschlossen hat, ist ein Meilenstein", erklärte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp am Mittwoch in Berlin. Das neue Gesetz, über das der Bundestag voraussichtlich im Herbst abstimmen werde, werde einen Schlussstrich unter das über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz ziehen, "das dem Grundgesetz nie würdig war". (fxn)