Weiter Kritik an Äußerungen zu russischer Geschichte

Lob aus Moskau für "ausgewogenen" Ukraine-Kurs des Papstes

Veröffentlicht am 30.08.2023 um 11:31 Uhr – Lesedauer: 

Moskau/Kiew ‐ In der Ukraine rufen Bischöfe zur Mäßigung der Kritik an Papst Franziskus nach einer spontanen Würdigung der russischen Geschichte auf – in der Sache stimmen sie ihr aber zu. Uneingeschränkt gut findet nur Russland selbst die Vatikan-Diplomatie.

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Die Äußerungen von Papst Franziskus zur russischen Geschichte stoßen weiter auf Ablehnung in der Kirche – aus Russland wird der vatikanische Dialogkurs aber gelobt. In einem Interview mit der italienischen Nachrichtenagentur "Ansa" würdigte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Marija Sacharowa am Dienstag die Diplomatie der Kirche. Die Beziehungen zwischen Russland und dem Heiligen Stuhl seien von einem "gegenseitig respektvollen und konstruktiven Ansatz" geprägt. Die russische Regierung schätze "sehr die ausgewogene Haltung des Vatikans zum Konflikt in der Ukraine und die Bemühungen des Heiligen Stuhls und von Papst Franziskus persönlich, eine friedliche Lösung zu finden, die leider vom Kiewer Regime offen abgelehnt werden", so die Sprecherin. Am Samstag hatte Papst Franziskus in einer spontanen Äußerung gegenüber russischen katholischen Jugendlichen die russische Geschichte und die Zaren Peter der Große und Katharina II. gelobt. Die Äußerungen stießen auf scharfe Kritik vor allem aus der Ukraine, wo die Aussagen als Legitimierung des russischen Imperialismus aufgefasst wurden.

Kritik kommt auch weiter aus der Ukraine. Nachdem am Montag der Großerzerbischof der ukrainisch-katholischen Kirche, Swjatoslaw Schewtschuk, bereits sein Unverständnis ausdrückte, äußerte sich am Dienstag der Vorsitzende der  ukrainischen Bischofskonferenz, Bischof Witalij Skomarowskyj: Die Erwähnung eines "großen Russlands" mit einer "großen Kultur und Menschlichkeit" durch den Papst zeuge "vom Fortbestehen des Mythos des Humanismus und der Größe des Staates, der seit neun Jahren einen blutigen und brutalen Krieg gegen die Ukraine führt". Diese Aussagen seien für die ukrainische Kirche schmerzlich und beunruhigend. "Als Kirche und ukrainische Gesellschaft lehnen wir jeden Ausdruck der Unterstützung für die 'russische Welt', die so viel Schmerz und Leid über unser Land und unsere Familien gebracht hat, ab und halten ihn für inakzeptabel", so der Bischof weiter. Er sei aber davon überzeugt, dass der Papst "den Imperialismus und seine aggressiven Pläne nicht unterstützt" und alles tun werde, um sie zu stoppen. Es bestehe kein Zweifel an der Unterstützung des Papstes für die Ukraine: "Er bringt diese Unterstützung ständig und lautstark zum Ausdruck und lässt die Welt das leidende ukrainische Volk nicht vergessen." Die entstandenen Missverständnisse sind nach Ansicht des Bischofskonferenzvorsitzenden auf das Fehlen eines angemessenen Dialogs zwischen dem Papst und der Ukraine auf kirchlicher und diplomatischer Ebene zurückzuführen. "Wir hoffen, dass die Reaktionen der ukrainischen Gesellschaft auf die Worte des Papstes dazu beitragen werden, die Situation jetzt zu bereinigen und Missverständnisse in Zukunft zu vermeiden."

Ähnlich äußerte sich der Bischof von Kiew-Schytomyr, Witalij Krywyzkyj, auf Facebook. Auch ihn verletzten die Worte des Papstes. Zugleich rief er zur Mäßigung in der Kritik auf. Nur die ganz Trägen hätten den Papst noch nicht "für seine jüngsten unbedachten Worte" kritisiert. Die Katholiken, die jetzt den Papst für seine Worte kreuzigen wollten, sollten sich fragen, ob sie seine Worte der Unterstützung der Ukraine auch verbreitet haben.

Vatikan reagierte bereits auf Sturm der Kritik

In einer Videokonferenz anlässlich des 10. russischen katholischen Jugendtreffens hatte der Papst am Samstag abweichend vom Manuskript gesagt: "Vergesst nicht eure Herkunft. Ihr seid Erben des großen Russlands - des großen Russlands der Heiligen, der Könige, des großen Russlands von Peter dem Großen, von Katharina II., des großen russischen Reiches, es hat so viel Kultur, so viel Menschlichkeit. Ihr seid die Erben der großen Mutter Russland. Geht vorwärts!" Der Heilige Stuhl veröffentlichte die Ansprache des Papstes am Samstag ohne diesen Zusatz. Die Nuntiatur in Kiew reagierte am Montag auf scharfe Kritik aus der Ukraine mit einer Klarstellung. Papst Franziskus sei "ein entschiedener Gegner und Kritiker jeglicher Form von Imperialismus oder Kolonialismus". Gegenüber Journalisten erklärte Vatikansprecher Matteo Bruni am Dienstag, dass aus dem Kontext klar sei, dass der Papst die Jugendlichen ermutigt habe, "das Positive an Russlands großem kulturellen und geistigen Erbe zu bewahren und zu fördern, aber keinesfalls eine imperialistische Logik und Persönlichkeiten zu verherrlichen".

Die Haltung von Papst Franziskus zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat schon mehrfach zu Verstimmungen geführt. Kritiker werfen dem Papst vor, Russland und die Ukraine indifferent zu behandeln und die Schuld Russlands nicht angemessen zu benennen. Schon zuvor hatte das Presseamt des Heiligen Stuhls Äußerungen des Papstes nachträglich klarstellen müssen. Auch ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hatte die Spannungen im Mai nicht aus der Welt räumen können. Insbesondere die Versuche des Vatikans, auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu finden, stießen dabei auf Kritik. "Bei allem Respekt für Seine Heiligkeit, wir brauchen keine Vermittler. Wir brauchen einen gerechten Frieden. Wir laden den Papst ebenso wie alle anderen Führer ein, für einen gerechten Frieden einzutreten, aber vorher müssen wir alles Übrige erledigen", so Selenskyj im Mai. Mit Blick auf einen möglichen Verhandlungsfrieden sagte er: "Mit Putin kann man nicht verhandeln, kein Staat der Welt kann das machen." (fxn)