Papst verärgert Ukraines Politik und Kirche mit Lob Russlands
Eine Ansprache von Papst Franziskus an russische Jugendliche sorgt für internationale Verstimmungen. Eine improvisierte Würdigung der russischen Geschichte durch den Papst stieß auf scharfe Kritik der ukrainischen Regierung und des ukrainisch-katholischen Großerzbischofs. In einer Videokonferenz anlässlich des 10. russischen katholischen Jugendtreffens sagte der Papst am Samstag abweichend vom Manuskript: "Vergesst nicht eure Herkunft. Ihr seid Erben des großen Russlands - des großen Russlands der Heiligen, der Könige, des großen Russlands von Peter dem Großen, von Katharina II., des großen russischen Reiches, es hat so viel Kultur, so viel Menschlichkeit. Ihr seid die Erben der großen Mutter Russland. Geht vorwärts!" Der Heilige Stuhl veröffentlichte die Ansprache des Papstes am Samstag ohne diesen Zusatz.
Auf Facebook kritisierte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleg Nikolenko, die Aussagen des Papstes scharf. Mit derartiger "imperialistischer Propaganda" rechtfertige Russland die Tötung Tausender Ukrainer und die Zerstörung ukrainischer Städte und Dörfer. "Es ist zutiefst bedauerlich, dass der Papst wissentlich oder unwissentlich solche Vorstellungen von einer Großmacht äußert, die wesentlich zu Russlands anhaltender Aggressivität beitragen", so Nikolenko am Montag.
Ebenfalls am Montag veröffentlichte der ukrainisch-katholische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk eine Stellungnahme, in der er sein Unverständnis ausdrückte. Er habe "mit großem Bedauern und großer Sorge" von den Papst-Äußerungen erfahren. "Wir hoffen, dass diese Worte des Heiligen Vaters spontan gesprochen wurden, ohne den Versuch einer historischen Bewertung, geschweige denn einer Unterstützung der imperialistischen Ambitionen Russlands." Peter der Große und Katharina II. und der Verweis auf das "große Russland" seien das "schlimmste Beispiel für Imperialismus und extremen russischen Nationalismus". Es bestehe die Gefahr, "dass diese Worte als Unterstützung für eben jenen Nationalismus und Imperialismus verstanden werden könnten, der den heutigen Krieg in der Ukraine verursacht hat - einen Krieg, der unserem Volk jeden Tag Tod und Zerstörung bringt." Schewtschuk sieht die Worte des Papstes im Widerspruch zu dessen Aussagen über gerechten Frieden. Franziskus würde sonst jede Form von Imperialismus ablehnen und warne vor den Gefahren des extremen Nationalismus. Der Großerzbischof erwarte eine Klärung durch den Heiligen Stuhl. Die Bischöfe der ukrainisch-katholischen Kirche würden das Thema zudem anlässlich ihrer anstehenden Synode gegenüber dem Papst persönlich ansprechen.
Klarstellung durch Kiewer Nuntiatur und Vatikan
Die Apostolische Nuntiatur in Kiew sah sich unterdessen zu einer Klarstellung veranlasst. "Einigen Interpretationen zufolge könnte Papst Franziskus junge russische Katholiken dazu ermutigt haben, sich von historischen russischen Persönlichkeiten inspirieren zu lassen, die für ihre imperialistischen und expansionistischen Ideen und Handlungen bekannt sind, die sich negativ auf benachbarte Bevölkerungen, einschließlich des ukrainischen Volkes, auswirkten", heißt es in der am Montag veröffentlichten Stellungnahme. Die Nuntiatur weist solche Interpretationen entschieden zurück: "Im Gegenteil, er ist ein entschiedener Gegner und Kritiker jeglicher Form von Imperialismus oder Kolonialismus, und zwar in allen Völkern und Situationen. In diesem Kontext sind auch die Worte des Papstes vom 25. August zu verstehen." Gegenüber Journalisten erklärte Vatikansprecher Matteo Bruni am Dienstag, dass aus dem Kontext klar sei, dass der Papst die Jugendlichen ermutigt habe, "das Positive an Russlands großem kulturellen und geistigen Erbe zu bewahren und zu fördern, aber keinesfalls eine imperialistische Logik und Persönlichkeiten zu verherrlichen".
Die Haltung von Papst Franziskus zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat schon mehrfach zu Verstimmungen geführt. Kritiker werfen dem Papst vor, Russland und die Ukraine indifferent zu behandeln und die Schuld Russlands nicht angemessen zu benennen. Schon zuvor hatte das Presseamt des Heiligen Stuhls Äußerungen des Papstes nachträglich klarstellen müssen. Auch ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hatte die Spannungen im Mai nicht aus der Welt räumen können. Insbesondere die Versuche des Vatikans, auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu finden, stießen dabei auf Kritik. "Bei allem Respekt für Seine Heiligkeit, wir brauchen keine Vermittler. Wir brauchen einen gerechten Frieden. Wir laden den Papst ebenso wie alle anderen Führer ein, für einen gerechten Frieden einzutreten, aber vorher müssen wir alles Übrige erledigen", so Selenskyj im Mai. Mit Blick auf einen möglichen Verhandlungsfrieden sagte er: "Mit Putin kann man nicht verhandeln, kein Staat der Welt kann das machen." (fxn)