Standpunkt

Franziskus hat nicht das Zeug zum Diplomaten

Veröffentlicht am 01.09.2023 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Sollte man Russland in diesen Zeiten für seine Geschichte als "großes Russland" loben? Sicher nicht, so Steffen Zimmermann. Dass der Papst sich trotzdem so geäußert habe, zeige, dass er nicht als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine tauge.

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Eines dürfte in diesen Zeiten doch wohl klar sein: Wenn man vom Kreml gelobt wird, hat man ziemlich sicher ziemlich danebengelegen. Das gilt auch für Papst Franziskus. Der wurde Anfang der Woche vom russischen Regime für Aussagen gelobt, die er bei einem Video-Treffen mit russischen Jugendlichen am vergangenen Freitag getätigt hatte. "Ihr seid Erben des großen Russlands: des großen Russlands der Heiligen, der Könige, des großen Russlands von Peter dem Großen, von Katharina II.", so Franziskus bei seiner Ansprache an die jungen Menschen. Dieses Reich habe eine große Kultur und viel Menschlichkeit besessen.

Wie kann man es im Angesicht des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für eine gute Idee halten, vom "großen Russland" zu sprechen? Wie kann man die mordende Diktatur Russland in einen Zusammenhang mit Kultur und Menschlichkeit setzen? Wie kann man junge Russen in diesen Zeiten dazu aufzurufen, das Erbe des großen Russlands nicht zu vergessen? Auch wenn der Papst seine Sätze mit Blick auf historische Ereignisse und Personen geäußert haben mag – für das Putin-Regime sind Franziskus' (unüberlegte?) Aussagen ein Geschenk, das man perfekt für die eigene Propaganda nutzen kann. Insofern hat der Pontifex bei einem hochsensiblen Thema wieder einmal diplomatisches und politisches Gespür vermissen lassen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Franziskus im Kontext des Krieges für Kopfschütteln sorgt. Am Karfreitag vergangenen Jahres irritierte er mit einer weithin als verfrüht erachteten Versöhnungsgeste, als eine Russin und eine Ukrainerin beim Kreuzweg gemeinsam das Kreuz trugen. Ein paar Monate später machte er dann Tschetschenen und Burjaten für die Brutalität Russlands in der Ukraine verantwortlich, da diese "nicht der russischen Tradition" angehörten. Auch dass Franziskus sehr lange brauchte, Russland und Diktator Putin als die Schuldigen am Krieg zu benennen, stieß nicht nur in der Ukraine auf Unverständnis und Kritik.

Franziskus hat sich und den Vatikan seit Beginn des Kriegs in der Ukraine wiederholt als Vermittler zwischen beiden Kriegsparteien ins Spiel gebracht. Der Pontifex als Friedensstifter zwischen Russen und Ukrainern – diese Rolle würde er wohl gerne spielen. Angesichts seiner wiederholten Fehltritte dürfte dies jedoch eine Illusion bleiben. Franziskus – das hat sich auch in anderen Zusammenhängen wiederholt gezeigt – hat nicht das Zeug zum Diplomaten.

Von Steffen Zimmermann

Der Autor

Steffen Zimmermann ist Redakteur im Korrespondentenbüro von katholisch.de in Berlin.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.