Papst warnt geistliche Gemeinschaften vor Selbstgenügsamkeit

Warnung vor "Etiketten- Spiritualität"

Veröffentlicht am 07.03.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Geistliche Bewegungen

Vatikanstadt ‐ Geistliche Bewegungen in der katholischen Kirche dürfen nach den Worten von Papst Franziskus nie in Selbstgenügsamkeit abrutschen. Dann drohe eine engstirnige "Etiketten-Spiritualität" und die Verwandlung in eine Art Nichtregierungsorganisation, sagte er vor 70.000 Mitgliedern der Bewegung "Comunione e Liberazione" (siehe Info-Kasten) am Samstag auf dem Petersplatz. Im Zentrum der Spiritualität müssten immer Jesus und seine Botschaft stehen.

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Das Charisma einer geistlichen Gemeinschaft zeigt sich laut Franziskus in der Öffnung zur Welt und zu den Menschen. Die Begegnungen zwischen ihnen ist aus seiner Sicht die entscheidende Brücke zur Begegnung mit Jesus. Das persönliche Kennenlernen müsse aber stets von Barmherzigkeit und Achtung geleitet sein.

Dies alles gelte auch für die Kirche im Ganzen, so Franziskus. Die christliche Moral dürfe nicht als Herausforderung gegenüber der Welt und "titanischer Kraftakt" begriffen werden, sondern stehe im Zeichen der Barmherzigkeit Gottes. Die Kirche müsse deshalb besonders zu den Gefallen an den Rändern gehen.

Anlass der Audienz auf dem Petersplatz war das 60-jährige Bestehen von "Comunione e Liberazione" ("Gemeinschaft und Befreiung"). Franziskus würdigte ihren Gründer, den Mailänder Priester Luigi Giussani (1922-2005), dessen Literatur ihn selbst auch beeinflusst habe. Die Bewegung mit weltweit schätzungsweise 100.000 Mitgliedern richtet sich vor allem an Schüler und Studenten. Heute wird sie von dem spanischen Priester Julian Carron geleitet. (KNA)

Stichwort: Comunione e Liberazione

"Comunione e Liberazione" (Gemeinschaft und Befreiung, CL) ist eine konservative und sozial engagierte Bewegung in der katholischen Kirche. Sie wurde 1954 im Rahmen der katholischen Studentenseelsorge von dem Priester Luigi Giussani (1922-2005) in Mailand gegründet. Papst Franziskus galt in seiner Zeit als Weihbischof und Erzbischof in Buenos Aires (1992-2013) als Sympatisant der Bewegung. 1982 wurde CL vom Päpstlichen Laienrat offiziell anerkannt. Statt auf feste Mitgliedschaften setzt die Bewegung auf freiwillige Teilnahme. Die "Fraternita" (Bruderschaft) der Organisation zählt heute nach eigenen Angaben 48.000 Mitglieder in rund 80 Ländern. Viele von ihnen besetzen wichtige Positionen in Gesellschaft, Kirche und Politik. In Deutschland ist CL vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und im Rheinland verbreitet. Zwei Tage, bevor Johannes Paul II. (1978-2005) einen schweren gesundheitlichen Rückfall erlitt, von dem er sich nicht mehr erholen sollte, starb mit Giussani am 22. Februar 2005 einer seiner langjährigen Weggefährten. Im Februar 2012 beantragte die Gemeinschaft beim Mailänder Kardinal Angelo Scola einen Seligsprechungsprozess für Giussani. Auch Benedikt XVI. (2005-2013), der kurz vor seiner Papstwahl noch das Requiem für den CL-Gründer zelebrierte, würdigte wiederholt die Verdienste der Bewegung. In einer Zeit, in der Christentum oft als mühsam und bedrückend dargestellt werde, machten ihre Mitglieder deutlich, dass es schön sei, Christ zu sein. Die Bewegung zeige das Christentum als Quelle neuer Werte und Orientierung der ganzen Existenz. Bekannt ist CL in Italien zudem durch seine alljährlichen "Meetings" in Rimini, die mit den deutschen Katholikentagen vergleichbar sind. Auch sie sind eine Folge von Giussanis Pädagogik, den Glauben als Leben zu begreifen. "Jungen Menschen oder Erwachsenen vom Glauben zu erzählen, kann nur heißen, ihnen eine Erfahrung mitzuteilen, nicht aber irgendwelche Gedanken über die Religion auszubreiten", erklärte er in seinem letzten Interview. Auch mehrere Kardinäle haben Verbindung zu der Bewegung. Kardinal Scola (73) gehörte früher zum Leitungsgremium. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn (70) tritt bei Veranstaltungen der Bewegung auf. (KNA)