Flüchtlingsbischof Heße fordert Reform des europäischen Asylsystems
Der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen, Erzbischof Stefan Heße, fordert eine Reform des europäischen Asylsystems. "Es ist völlig klar: Pushbacks und andere Verletzungen des Völkerrechts müssen aufhören. Wir brauchen eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die einen besseren Flüchtlingsschutz und eine faire Verantwortungsteilung zwischen den EU-Mitgliedstaaten ermöglicht"“, schreibt Heße in einem am Mittwoch veröffentlichten Gastbeitrag bei welt.de.
Statt großer Camps in den Erstaufnahmestaaten, wo Menschen teils unter haftähnlichen Bedingungen monatelang ausharren müssten, sei eine rasche Registrierung und Weiterverteilung auf andere EU-Mitgliedstaaten notwendig. Eine besondere Aufmerksamkeit müsse dabei auf die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen, wie Behinderte, Traumatisierte, Opfer von Gewalt und Menschenhandel, gelegt werden, so der Hamburger Erzbischof.
"Das Unrecht schreit zum Himmel!"
"Wenn man sich die Situation von Millionen von Flüchtlingen vor Augen führt, muss man leider feststellen: An vielen Orten gelten die Menschenrechte von Schutzsuchenden nur wenig, ihre Rechte werden vielfach mit Füßen getreten", betont Heße, der in seiner Funktion als Flüchtlingsbischof erst vor wenigen Tagen von einer Solidaritätsreise nach Griechenland und in die Türkei zurückgekehrt war. Im Rahmen der Reise habe er viele Gespräche führen können: "mit Politikern und kirchlichen Verantwortungsträgern, mit Repräsentanten der UN- und EU-Institutionen, mit Diplomaten und NGO-Vertretern, vor allem aber: mit zahlreichen geflüchteten Menschen selbst. Die Berichte und Erfahrungen haben mich zutiefst beeindruckt. Das Unrecht schreit zum Himmel!", so der Erzbischof wörtlich.
Das Leid, das die meisten Geflüchteten schon vor ihrer Flucht erfahren hätten und vor dem sie ja gerade geflohen seien, habe sich auf ihren Fluchtrouten fortgesetzt: "Die Menschen werden Opfer von Menschenhandel, Vergewaltigungen, Folter, werden von ihren Familien getrennt, sie hungern und dursten." Je größer die Not sei, desto eher nähmen Menschen auch das Risiko einer gefährlichen Überfahrt nach Europa auf sich. "Dann finden sie sich in einem völlig überfüllten Schlauchboot ohne Rettungswesten oder Nahrung wieder. Aufgrund von Pushbacks nehmen manche die teure und gefährliche Überfahrt sogar mehrfach auf sich. Und das bedeutet nicht selten den Tod", schreibt Heße. Auch die Lage in den Flüchtlingslagern sei dramatisch. In einem Lager auf der griechischen Insel Lesbos, das er bei seiner Reise besucht habe, habe es an grundlegenden Dingen wie Nahrung, Zugang zu Ärzten oder Medikamenten gefehlt. (stz)