Pastoralreferenten: Es gibt in Kirche eine Amtlichkeit ohne Weihe
In Deutschland und einigen anderen mitteleuropäischen Ländern gibt es Pastoral- und Gemeindereferenten, die als theologisch ausgebildete Laien in der Seelsorge wirken. Doch auch in anderen Ländern überall auf der Welt, engagieren sich Gläubige mit einer professionellen pastoralen Ausbildung in Kirchengemeinden, Krankenhäusern oder Gefängnissen – allerdings meist unter anderen Arbeitsbedingungen als hierzulande. Um sich besser international zu vernetzen, haben die deutschen Pastoralreferenten nun zu einem ersten Welttreffen der "Lay Ministers" in der katholischen Kirche eingeladen. Im Interview erzählen Isabelle Molz und Konstantin Bischoff vom Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands, was die Teilnehmer vom 1. bis 5. Oktober in Rom erwartet.
Frage: Frau Molz, Herr Bischoff, Sie veranstalten das weltweit erste Treffen von professionellen Laien-Mitarbeitern in der Seelsorge, das "First World Meeting of professional Lay Ministers" – und das genau vor der Weltsynode in Rom. Warum?
Bischoff: Der Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands hat sich immer schon bemüht, Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen weltweit zu knüpfen. In Europa hat es immer wieder Bemühungen um ein Netzwerk gegeben, vor allem zwischen Kollegen aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland. Die Feststellung, dass es nicht geweihte Amtsträgerinnen mit theologischer Qualifikation auch in anderen Ländern gibt, war vorher für uns eher theoretisches Wissen. Die Weltsynode hat uns einen Anlass gegeben, um einen Versuch zu wagen, Menschen auch über europäische Grenzen hinaus zusammenzuführen.
Frage: Wann haben Sie die Idee dazu bekommen, dieses Treffen mit der Weltsynode zu verbinden?
Bischoff: Die Idee ist etwa ein Jahr alt und stammt aus der Zeit, als bei uns im Verband ein neuer Vorstand gewählt und manche Dinge neu gedacht wurden. Die Idee ist sicher auch daraus erwachsen, dass der Berufsverband mit vier Mitgliedern Teil der Synodalversammlung des Synodalen Wegs war. Durch die Teilnahme wurde uns deutlich, wie wichtig es ist, nicht nur im eigenen Land, sondern weltweit vernetzt zu sein.
Frage: In Mitteleuropa ist die Situation für professionelle Laientheologen, also Pastoralreferenten und Gemeindereferenten, bedeutend anders als im Rest der Welt. Was versprechen Sie sich von Ihrem Treffen? Wollen Sie, dass es künftig auch in Afrika Pastoralreferenten gibt?
Molz: Das wäre natürlich wünschenswert. Meine Wahrnehmung ist jedoch, dass in den Ländern des globalen Südens – ich weiß es jetzt speziell von Afrika –, der Laiendienst oftmals an eine Ordensmitgliedschaft gebunden ist. Es sind also meist Ordensfrauen, die dort das in der Kirche tun, was in Deutschland zur Arbeit von Pastoralreferentinnen gehört. Unser primäres Ziel beim "World Meeting" ist, miteinander in den Austausch zu kommen und voneinander zu lernen, so wie wir es von den anderen europäischen Ländern kennen – und das in aller Unterschiedlichkeit, die uns auszeichnet. Es wird bei dem Treffen darum gehen, wie wir unsere Arbeit theologisch begründen und ob wir uns im Miteinander oder auch im Nebeneinander oder manchmal im Gegenüber zum klerikalen Amtsverständnis sehen. Als Laie theologisch fundiert pastoral zu handeln ist das Alleinstellungsmerkmal unserer Berufe. Ob das dann nachher Pastoralreferentin heißt oder einen anderen Namen hat, ist erst einmal sekundär.
Bischoff: Zugespitzt, wie Sie die Frage formuliert haben, wäre das sehr paternalistisch, nach dem Motto: Wir exportieren jetzt einen in deutschsprachigen Ländern entstandenen Beruf auf andere Kontinente. Die dahinterstehende Denkweise einer zentralistischen Kirche aus europäischem Blick existiert heute nicht mehr. Es geht beim "World Meeting" um ein gemeinsames Lernen voneinander und ganz bestimmt nicht darum, dass die Welt von einer reichen deutschen Kirche lernt, wie Laien seelsorglich handeln sollten.
Frage: Aber die Unterschiede der beruflichen Situation von Laien-Seelsorgern etwa in Afrika oder in Deutschland sind nun einmal sehr groß. Sei es, was die finanzielle Ausstattung, aber auch die Ausbildung betrifft. Was können also zum Beispiel die deutschen Pastoralreferenten von ihren Kollegen in Afrika lernen?
Bischoff: Zum einen ist es so, dass wir bei den Unterschieden natürlich große Differenzen in der Struktur haben, also was die Bezahlung und ähnliches angeht. Allerdings müssen wir uns mit Blick auf die Ausbildung von der alten Idee verabschieden, dass es weltweit keine professionell ausgebildeten, nicht-geweihten Theologinnen und Theologen gibt. Unsere Kontakte zeigen uns, dass diese Annahme schlichtweg nicht stimmt. Auf anderen Kontinenten haben unsere Kolleginnen mit Sicherheit nicht denselben organisierten Stand, wie wir – aber es gibt sie. Die Berufsgruppen, die wir in Deutschland haben, egal ob es Gemeindereferenten oder Pastoralreferentinnen sind, haben in sich etwas Ständisches, das sich von klerikalen Strukturen ableitet, so sehr sie sich durch die Nichtweihe davon dann doch wieder unterscheiden. Gerade der geringere Organisationsgrad und die damit freiere Handlungsweise in der Kirche, die die "Lay Ministers" haben – ein Begriff, der mit Sicherheit auch nicht weltweit funktioniert –, können helfen, dass wir abseits von unserer klaren beruflichen Standeslogik denken, die wir in Deutschland haben. Vielleicht auch, weil Berufsbiografien von "Lay Ministers" in anderen Ländern, anders als bei uns, keine Lebenszeit-Biografien sind.
Molz: Es ist uns ein Anliegen, bei unserem Treffen in Rom nicht alles westlich zu denken, sondern das Unterschiedliche der beruflichen Situation, aber auch der jeweiligen Kulturen und Lebensform hervorzuheben. Außerdem sagen wir in der Kirche im westeuropäischen Raum gerne, wir müssen uns an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Im globalen Süden ist viel klarer, dass pastorales Handeln sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, weil es oft nicht diese privilegierte Situation gibt, zwischen vielen Dingen wählen zu können. Davon können wir lernen, Dinge einfach zu tun. Uns ist es oft ein Anliegen, vielleicht auch ein typisch deutsches, immer alles in einer Struktur zu haben. Aber wir merken bei der Organisation des Welttreffens, dass es manchmal auch das Wagnis braucht, Dinge einfach zu tun, ohne sich vorher abzusichern.
Frage: Sind die unterschiedlichen finanziellen Rahmenbedingungen in der weltweiten Seelsorge auch ein Ausblick in die Zukunft der Kirche in Deutschland? Denn wir müssen uns ja schon fragen, wie lange es die Kirchensteuer noch geben wird.
Bischoff: Ganz bestimmt. Wir müssen uns fragen: Gibt es den Beruf des Pastoralreferenten nur, solange es die Kirchensteuer in Deutschland gibt? Aber: Wenn wir auf die Weltsynode schauen, sehen wir, dass Klerikalismus, Ständedenken und priesterliches Abgehoben-Sein sehr große Themen sind. Doch mit dem Blick auf die von uns jetzt provisorisch als "Lay Ministers" betitelten Kollegen weltweit erkennen wir, dass sie eine Amtlichkeit in der Kirche verkörpern, ohne geweiht zu sein. Dieses andere Verständnis von Amt existiert bereits, egal in welcher Struktur. Das bedeutet, dass es dieses nicht von der Weihe abhängige Amt braucht, selbst wenn in Deutschland die finanziellen Gegebenheiten nicht mehr für die heutige Struktur zur Verfügung stünden. Auch ohne Kirchensteuer bräuchte es professionelle, nicht geweihte Amtsträgerinnen in der Kirche in Deutschland.
Frage: Wünschen Sie sich dann, dass es irgendwann ein kirchliches Laienamt gibt, das überall auf der Welt gleich ist und gleich heißt?
Bischoff: Nein, das braucht es sicher nicht. Es werden zwar neue Ämter in der Kirche entstehen, so wie sich kirchliche Ämter immer entwickelt haben. Aber das Letzte, was wir brauchen, ist ein zusätzliches, von oben geformtes Laienamt, das weltweit gleich heißt. Wir brauchen zudem ein positives Verständnis von Amt. Das Amt an sich hat in den letzten Jahren aufgrund des Missbrauchsskandals und von Klerikalismus nicht nur in der westlichen Kirche gelitten, sondern weltweit. Die Existenz amtlicher Laien kann dazu beitragen, dass sich das Amt insgesamt verändert und bei den Menschen eine positive Konnotation erhält – denn Amt ist nicht Klerikalismus. Aber dieser Eindruck kann im Moment manchmal entstehen.
Molz: Wir müssen uns die Frage stellen: Definiere ich mich als Pastoralreferentin immer in Abgrenzung zum Amt oder zum Kleriker, der die gleiche Ausbildung wie ich hat? Oder sehe ich meinen Beruf als etwas Eigenständiges? Sie haben vorhin die Kirchensteuern angesprochen: Warum ist der Klerikerstand in jeder finanziellen Situation der Kirche sicher, aber die anderen Berufsgruppen nicht? Das ist eine Frage, die man diskutieren muss.
Frage: Beim "World Meeting" wird es eine theologische Begleitung geben. Einladende sind auch die Mitglieder des theologischen Beirats Ihres Berufsverbands. Wie wird das in Rom aussehen?
Bischoff: Bei der gemeinsamen Arbeit unterscheiden wir primär nicht, ob die Kolleginnen aus der pastoralen oder der universitären Praxis stammen. Wir werden miteinander arbeiten. Es ist allerdings so, dass die Fragen nach dem Amt in der deutschsprachigen Kirche im Moment eine große Rolle spielen, also auch unsere theologischen Mitglieder aus Deutschland hier Impulse setzen werden – aber dezidiert nicht, um dem Rest der Welt zu erklären, wie das Amt aus Sicht der deutschen Theologie heute aussehen soll. Es wird einen Austausch mit anderen theologischen Sichtweisen etwa aus Lateinamerika, aus Nordamerika, von den Philippinen geben, woher ebenfalls gut ausgebildete akademische Theologinnen stammen, die am "World Meeting" teilnehmen.
Frage: Wie finanziert sich das Treffen eigentlich?
Molz: Die Finanzierung stammt im Großen und Ganzen aus Mitteln verschiedener deutscher Bistümer und dem Weltkirche-Fonds der Deutschen Bischofskonferenz. Außerdem kommen – nicht zu unterschätzen – solidarische Spenden von Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten aus ganz Deutschland hinzu.
Frage: Sie haben in Ihrer Einladung geschrieben, dass es 20 Teilnehmer geben wird. Warum kein größeres Treffen?
Bischoff: Alles muss klein anfangen. Wir merken, dass es schon so schwierig genug ist, aus vielen Ecken der Welt Menschen zu finden, die teilnehmen können. Die Weltsynode geht über mehrere Jahre und auch wir wollen erst einmal einen Auftakt setzen. Dafür haben wir uns für eine arbeitsfähige Gruppengröße von Menschen entschieden, die höchst motiviert sind und deren Vernetzung die Themen des Treffens weitertragen kann. Das ist das "First" und nicht das "Last World Meeting of Lay Ministers".
„Wir müssen uns die Frage stellen: Definiere ich mich als Pastoralreferentin immer in Abgrenzung zum Amt oder zum Kleriker, der die gleiche Ausbildung wie ich hat? Oder sehe ich meinen Beruf als etwas Eigenständiges?“
Frage: Sie gehen also von weiteren Treffen aus?
Molz: Auf jeden Fall. Aber das ist unsere Idee und ob sie Sinn ergibt, lernen wir erst im Miteinander mit Menschen aus anderen Ländern. Falls es ein rein deutsches Bedürfnis sein sollte, dann müssen wir im Nachgang schauen, wie wir an diesem Thema dranbleiben und im Dialog sind. Wir müssen diesen Schritt miteinander gehen und wollen mit den Menschen aus der Weltkirche im Gespräch sein – und dann auch schauen, ob das der Weg aller ist. Am Anfang der fünf Tage in Rom werden wir nicht wissen, was am Ende stehen wird.
Frage: Es ist eine deutliche Ansage, dass Sie Ihr Treffen unmittelbar vor der Weltsynode vor Ort in Rom veranstalten. Hoffen Sie, auf die Teilnehmer der Synode einzuwirken oder einen Austausch ins Leben zu rufen?
Bischoff: Es wird einen Austausch mit den Synodalen der Weltsynode geben. Es gibt auch bereits Zusagen von Menschen, die am letzten Abend unseres Treffens mit uns über unsere Ergebnisse sprechen werden. Ein australischer Bischof, aber auch deutsche Synodenteilnehmer wie Thomas Söding gehören dazu.
Molz: Es ist auch ein Ziel, wahrgenommen und gehört zu werden – auch von Synodenteilnehmern. Es wäre gut, wenn sie unsere Gedanken und Sichtweisen mit in die Synode nehmen. Ob das Einfluss haben wird, kann man schlecht vorhersagen, aber sie werden die Gespräche mit uns vielleicht im Hinterkopf behalten.
Frage: Meinen Sie, Papst Franziskus wird auch vorbeischauen?
Molz: Ich denke nicht, aber selbstverständlich wäre er willkommen – und man weiß nie, wo er überall auftaucht. Franziskus ist schließlich für seine spontanen Auftritte bekannt.