Zeugnisse seien Ausdrucksweise einer geschlechtlichen Vieldeutigkeit Christi

Kirchenhistoriker: In mystischer Gottesrede Argumente für Frauenweihe

Veröffentlicht am 25.09.2023 um 11:44 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Eine alte Tradition in der Kirche schreibt Christus weibliche Attribute zu. Kirchenhistoriker Hubertus Lutterbach zieht diese zur Frauenweihe-Debatte heran und fragt: Warum sollten nicht auch Frauen den verherrlichten Christus repräsentieren können?

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Der Kirchenhistoriker Hubertus Lutterbach sieht in der mystischen Gottes- und Christusrede von Kirchenlehrern, die weibliche Attribute hervorhebt, Argumente für die Frauenordination. Die Rede von den mütterlichen Attributen Gottes beziehungsweise Christi gehe auf eine lange Tradition zurück, schreibt Lutterbach in einem Beitrag in der "Herder Korrespondenz" (Oktober-Ausgabe). Die zahlreich vorgetragenen Zeugnisse, die Christus als Frau und Mutter in den Mittelpunkt stellen, seien "als Ausdrucksweisen einer markanten geschlechtlichen Vieldeutigkeit Jesu Christi zu würdigen, die man in ihm verwirklicht sieht".

Unberührt davon vertrete das römische Lehramt die Position, dass als geweihte Priester allein Männer vorstellbar sind, weil allein sie die vorgeblich männliche Geschlechtsidentität mit Jesus teilten, so Lutterbach weiter. "Dieser lehramtlichen Sicht ließe sich entgegenhalten: Einerlei, wie man sich wissenschaftlich zur These der Bipolarität von Mann und Frau verhält, bleiben die menschenmöglichen Ausdrucksweisen auch im Bereich der geschlechtlichen Codierung oder der bipolaren Geschlechterstereotypen des Menschen irdisch-begrenzt." Sie könnten nicht linear in den Bereich des eschatologischen Heils verlängert werden.

Tradition sehe Christus "durch sein Frau-Sein (mit-)geprägt"

Zeugnisse, die Christus als Frau und Mutter in den Mittelpunkt stellen, veranschaulichten "eschatologische Transformationen, die schon im Hier und Jetzt weit über die innerweltlich-irdisch begrenzten (binär-)geschlechtlichen Codes hinausweisen". Die entsprechenden Kirchenschriftsteller sähen jene Christus-Wirklichkeiten auch auf Erden einflussreich, die sie im Blick auf den Himmel längst als gegeben voraussetzten. "Warum sollte man das religionsgeschichtliche Grundgesetz 'Wie im Himmel, so auf Erden' also nicht auch zugunsten der Öffnung des Priestertums für Frauen angesichts eines breiten Überlieferungsstrangs einbeziehen, der Christus eben keine eindeutig männliche Identität zuschreibt, sondern ihn wesentlich auch durch sein Frau-Sein (mit-)geprägt sieht?", fragt der Kirchenhistoriker.

In dem Maße, in dem sich die eschatologisch-göttliche Welt schon im Jetzt als eine "transformiert-neuverfugte" zeige, verlören die konkreten Ausgestaltungen der Schöpfungsordnung von ihrer Relevanz. Der Christus, den der Priester repräsentieren soll, sei immer auch der verherrlichte Christus, dessen Realität ikonisch nur ineinander verflüssigte Gender-Stereotypen zu bezeichnen vermöchten. "Warum sollten also nicht auch Frauen diesen verherrlichten Christus repräsentieren können, wenn man ihn sich in seiner Menschlichkeit und Göttlichkeit als jemanden vorstellt, der Anteil hat an der Verflüssigung der Geschlechter in das Göttliche hinein – er sich also gar nicht als ein 'biologischer Mann' fassen lässt?", so Lutterbach. (mal)