Essener Oberhirte äußert sich in Interviews zum Fall Hengsbach

Bischof Overbeck: Kirchliche Amtsträger nicht überhöhen

Veröffentlicht am 29.09.2023 um 08:49 Uhr – Lesedauer: 

Berlin/Düsseldorf ‐ Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen Kardinal Franz Hengsbach warnt Essens Bischof Franz-Josef Overbeck vor einer Überhöhung kirchlicher Amtsträger. In einem Interview forderte er am Freitag "mehr Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche".

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Nach den Enthüllungen der Missbrauchsvorwürfe gegen den verstorbenen Kardinal Franz Hengsbach warnt der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck vor einer Überhöhung kirchlicher Amtsträger. "Wir brauchen mehr Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche und ein erneuertes Amtsverständnis", sagte er im Interview der "Rheinischen Post" (Freitag). "Das werde ich auch auf der Weltbischofssynode einbringen, die in diesem Oktober in Rom beginnt."

"Es haben sich eine Theologie der Kirche, eine Spiritualität des Gehorsams und eine Praxis des Amtes entwickelt, die Macht äußerst einseitig an die Weihe binden und das Amt für geradezu unantastbar erklären", führte Overbeck weiter aus. Ein solches Amtsverständnis sei noch bis vor wenigen Jahrzehnten nicht hinterfragt worden und habe ganze Generationen von Klerikern geprägt – auch ihn selbst. "Ich hoffe sehr und will daran arbeiten, dass in meinem Auftreten und Handeln als Bischof glaubhaft deutlich wird: Eine solche Überhöhung des Amtes lehne ich entschieden ab", betonte der Bischof.

Essener Bischof räumt erneut Fehler ein

Er räumte erneut ein, im Umgang mit dem Fall Hengsbach Fehler gemacht zu haben. Er habe nichts unternommen, nachdem er 2011 von einem ersten Missbrauchsvorwurf gegen den 1991 verstorbenen Gründerbischof des Ruhrbistums erfahren und der Vatikan diesen als nicht plausibel eingestuft habe. "Ich konnte und wollte damals nicht glauben, dass ein so bedeutender Bischof ein Missbrauchstäter sein könnte", so Overbeck: "Heute ist mir klar, dass ich damit einem typischen Muster erlegen bin und die Perspektive der Betroffenen nicht genug wahrgenommen habe." Einen Rücktritt lehnte der Bischof aber ab: "Ich weiß um meine Fehler und werde daraus lernen. Und dazu gehört an erster Stelle, die Perspektive der von sexueller Gewalt betroffenen Menschen in den Mittelpunkt meines Handelns zu stellen."

Hengsbach (1910-1991) wird bislang Missbrauch in zwei Fällen in den 1950er und 1960er Jahren vorgeworfen. Das Bistum Essen und das Erzbistum Paderborn, aus dem Hengsbach stammt, veröffentlichten vorige Woche die Anschuldigungen, die aus den Jahren 2022 und 2011 stammen. Am Montag ließ das Essener Domkapitel die 2011 aufgestellte Statue von Hengsbach am Essener Dom wieder abmontieren.

Overbeck: Kirche kann Missbrauch nicht alleine aufklären

In einem weiteren Interview erklärte Overbeck am Donnerstag gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass die Kirche sexualisierte Gewalt in ihren eigenen Reihen nicht selbst aufklären könne. Das könne keine Organisation, wenn es sie selbst betreffe. "Vielleicht haben wir das in der katholischen Kirche lange Zeit nicht eingesehen", sagte der Bischof. Trotzdem stehe Kirche in der Pflicht, "Aufarbeitung, Intervention und Prävention sicherzustellen".

"Aber ganz ohne Zweifel werden wir angesichts der Dramatik der sexuellen Gewalt in der gesamten Gesellschaft darauf hinwirken müssen, dass hier auch der Staat gefragt ist, Mit-Verantwortung zu übernehmen", unterstrich Overbeck. "Wir kommen als Kirche alleine an Grenzen." (stz/KNA/epd)