Schweizer Synodale: Müssen bei Synode über Missbrauch sprechen
Sie vertritt den deutschsprachigen Raum und will auch dessen Themen einbringen: Die Schweizerin Helena Jeppesen-Spuhler von der Hilfsorganisation "Fastenaktion" ist Teilnehmerin der Weltsynode – und eine der Frauen mit Stimmrecht. Schon bei der Prager Kontinentalversammlung war sie dabei. Sie hofft auf Fortschritte durch die Synode, denn wenn dort nichts "Griffiges" herauskomme, bekäme die Kirche noch mehr Probleme mit ihrer Glaubwürdigkeit. Mit katholisch.de sprach sie vor dem Beginn der Beratungen am Mittwoch über die Rolle der Frauen auf der Synode, die Vernetzung untereinander – und über ihre Hoffnungen und Sorgen.
Frage: Frau Jeppesen-Spuhler, erstmals sind Frauen als stimmberechtigte Mitglieder bei einer Synode der katholischen Kirche dabei. Wird das die Kommunikation verbessern oder erschweren? Die Kirchenoberen sind ja nicht unbedingt gewohnt, Frauen gegenüber Argumente vorbringen zu müssen.
Jeppesen-Spuhler: Ich denke, der Umgang und die Kommunikation in der Synode wird auf jeden Fall anders werden. Wenn Frauen als stimmberechtigte Mitglieder dabei sind, werden sich die Bischöfe genauer überlegen, wie sie beispielsweise den Ausschluss der Frauen vom Weiheamt begründen. Das war beim Kontinentaltreffen in Prag sehr spannend: Da hat sich niemand getraut, im Plenum gegen die Stärkung der Rolle der Frau zu reden. Das hatte sicher damit zu tun, dass da Frauen und nichtgeweihte Männer dabei waren.
Frage: Sie haben die Prager Versammlung angesprochen: Alle Kontinentalberichte und auch die Papiere des Synodensekretariat thematisieren die Marginalisierung von Frauen in der Kirche. Sie sind eine von etwa 50 stimmberechtigten Frauen bei der Weltsynode. Im Vergleich zu den Männern ist das eine geringe Zahl. Wie schaffen Sie es, da nicht unterzugehen?
Jeppesen-Spuhler: Die Positionen gehen ja nicht immer entlang der Grenze nichtbischöflich-bischöflich. Es wird auch unter den Bischöfen viele geben, die sich für die Gleichberechtigung einsetzen werden. Da braucht es dann Vernetzung und Dialog.
Frage: Und was ist mit Vernetzung mit den Frauen bei der Synode?
Jeppesen-Spuhler: Ich halte beides für wichtig. Aber die Frauen werden nicht alle gleicher Meinung sein. Ich denke, dass die Frauen sich separat treffen werden, um zu schauen, wie der Verlauf der Diskussionen ist und was sie ihrer Perspektive beitragen können. Ich halte diesen Austausch für sehr wichtig, weil wir doch eine große Minderheit sind.
Frage: Aber müssen sich die Frauen nicht gerade deshalb bemühen, mit möglichst einer Stimme zu sprechen, damit ihre Perspektive in den Prozess einfließt?
Jeppesen-Spuhler: Das wird nicht möglich sein. Ich glaube aber, dass auch Frauen mit unterschiedlichen Positionen etwas bewegen und helfen können, dass Kompromisse zustande kommen. Ein Beispiel aus der Schweizer Politik: Es gab eine Zeit, in der im siebenköpfigen Bundesrat, also der obersten Exekutivbehörde, vier Frauen waren. Das war zwar nur eine kurze Spanne, aber in dieser ist etwa die Energiewende zustande gekommen. Und da kamen die Frauen auch aus unterschiedlichen Lagern.
Frage: Wenn man so will, sind Sie die einzige Laiin unter den Stimmberechtigten, die den deutschen Sprachraum vertritt. Was macht das mit Ihrem Rollenverständnis bei der Synode?
Jeppesen-Spuhler: Natürlich ist es mir ein Anliegen, die Positionen aus dem deutschsprachigen Raum in diese Synode einzubringen, gerade mit Blick auf die Rolle der Frau in der Kirche – zusammen mit den Bischöfen etwa aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. An der Synode nehmen aber auch die Pastoraltheologin Klara Csiszar aus Linz und die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens als Expertinnen teil.
Frage: Sie sind ja gut vernetzt in der Weltkirche. Welche Anliegen wurden ihnen in den vergangenen Wochen, nachdem Sie als Synodenteilnehmerin feststanden, nochmal besonders übermittelt?
Jeppesen-Spuhler: Dass die katholische Kirche dringenden Reformbedarf hat, um glaubwürdig für die Menschen da zu sein.
Frage: Man hat den Eindruck, dass der Vatikan versucht, die Geister, die er rief, wieder einzufangen. In vielen Stellungnahmen heißt es, dass es bei der Synode gar nicht um Spezialthemen geht, sondern darum, wie in der Kirche grundsätzlich ein synodales Miteinander gelingen kann. Vermuten Sie da auch bei der Synode entsprechende Bemühungen?
Jeppesen-Spuhler: Wenn wir über die drei Themen des synodalen Prozesses reden, über Gemeinschaft, Mission und Partizipation, dann sind wir sofort bei den Themen, die in der Reformdebatte angesprochen werden. In der Gemeinschaft sind alle Kinder Gottes – dann sind wir schnell bei dem Unterschied zwischen "Hochwürden" und den "einfachen Gläubigen". Dann kommen die Themen der Menschen, die vielerorts immer noch nicht vollwertige Mitglieder der Gesellschaft sind, etwa queere Personen. Wenn wir das nicht besprechen, macht es unsere Mission als Kirche natürlich unglaubwürdig. Und so kommen wir ständig in diese Themen hinein.
Frage: Am Mittwoch gehen die Beratungen los. Mit welchen Erwartungen gehen sie hinein?
Jeppesen-Spuhler: Wir wissen ja alle nicht wahnsinnig viel, wie die Diskussionen laufen werden. Daher bin ich einfach sehr gespannt. Es ist gut, dass diese Synode als Prozess anders angelegt ist als vorherige. Gerade die breite Umfrage unter den Gläubigen im Vorfeld gibt den Synodalen einen ganz anderen Rückhalt. Und so kommen wir ins nächste Dilemma: Wir müssten auch kommunizieren, wie der Prozess in der Synode verläuft. Im Moment zumindest scheint es ja so zu sein, dass es da Einschränkungen gibt.
Frage: Wie stehen Sie dazu?
Jeppesen-Spuhler: Das sollte bei einem solchen synodalen Prozess eigentlich nicht so sein. Aber vielleicht schützt es am Anfang die kontroversen Diskussionen ein wenig.
Frage: Was ist denn jetzt Ihre Hoffnung für die Synode?
Jeppesen-Spuhler: Ich hoffe zunächst, dass es jetzt zu einem guten Austausch in der Weltkirche kommt. Und dass wir in die Richtung weiterkommen, dass Ortskirchen mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten. Das würde den Weg öffnen für schnellere Lösungen für unsere dringenden Probleme.
Frage: Was ist mit dem Thema Inklusion von queeren Menschen?
Jeppesen-Spuhler: Da würde ich mir auch wünschen, dass es Bewegung gibt.
Frage: Was ist Ihre größte Sorge?
Jeppesen-Spuhler: Sorge bereitet mir, ob das Thema Missbrauch Teil der Diskussionen in der Synode sein wird. Dies wäre dringend notwendig. Dann frage ich mich, wo in dieser Versammlung die Jugend ist. Auch die müsste eigentlich unbedingt dabei sein. Aber meine größte Sorge ist, dass die Synode keinen wirklichen Fortschritt bringt. Denn wir müssen den Reformprozess vorantreiben. Wenn nichts Griffiges herauskommt, haben wir als Kirche noch mehr Probleme mit unserer Glaubwürdigkeit.