Alttestamentler: Nur zwei Geschlechter plausibel theologisch begründet
Der emeritierte Wiener Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger stärkt Nuntius Nikola Eterović in der Debatte um das Geschlechterbild der Kirche den Rücken. Die Deutung der Schöpfungsgeschichte, dass dort ein auf genau zwei verschiedenen Geschlechtern gründendes Menschenbild vertreten wird, sei plausibel und werde auch in der theologischen aktuellen Wissenschaft so vertreten, schrieb Schwienhorst-Schönberger am Dienstag auf Facebook. Gegen Eterović hatte der Mainzer Alttestamentler Thomas Hieke in Interviews auf katholisch.de und im Deutschlandfunk (DLF) deutlich Stellung genommen. Mit seinen Ausführungen reagiert Schwienhorst-Schönberger auf Hieke: Die im DLF-Interview aufgeworfene Frage, wie es sein könne, dass Theologen über 2.000 Jahre die Schöpfungsgeschichte falsch verstanden hatten und die römischen Theologen das auch heute noch tun, könne nur lauten: "Weil das die Bedeutung des biblischen Textes ist."
Schwienhorst-Schönberger teilt Hiekes Position, dass die Veränderung von Gen 1,27 in der revidierten Einheitsübersetzung von 2016 korrekt ist. Dort ist nicht mehr die Rede davon, dass Gott den Menschen "als Mann und Frau" geschaffen hat. Stattdessen lautet der Vers nun: "Männlich und weiblich erschuf er sie." Damit liege die Einheitsübersetzung richtig, betont auch der Wiener Bibelwissenschaftler. "Der Grund der Revision verdankt sich jedoch nicht Erkenntnissen der Gender-Theorie, sondern liegt auf der Linie der quellsprachenorientierten Revision der Einheitsübersetzung": Im hebräischen Urtext stünden nicht die Substantive "Mann" und "Frau" ("isch" und "ischah"), sondern die Adjektive "männlich" und "weiblich" ("zakar" und "neqebah"), so Schwienhorst-Schönberger. Das ändere jedoch nichts am Gesamtverständnis, im zweiten Schöpfungsbericht interpretiere das klar "im Sinne der binären Geschlechterkonstellation von 'isch' und 'ischah', also: "Mann und Frau", so der Wiener Alttestamentler weiter. "Dass die Bibelauslegung des Lehramtes der Katholischen Kirche sowie die des Nuntius dem neuesten Stand der Bibelwissenschaft widerspreche, wie Hieke behauptet, ist irreführend", betont er.
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Schwienhorst-Schönberger zeigte sich befremdet darüber, dass Hieke bei seiner Auslegung der Schöpfungsgeschichte eine Eindeutigkeit verfechte, "die geradezu fanatische Züge erkennen lässt", statt eine Sinnoffenheit biblischer Texte anzunehmen: "Das Mindeste, was man sagen kann, ist, dass die einschlägigen biblischen Texte ein Sinnpotenzial enthalten, innerhalb dessen die offizielle Position der Katholischen Kirche als sehr plausibel anzusehen ist. Sie hat den biblischen Text also nicht 'gegen den Strich' gelesen.”
Überwindung der traditionellen Familie als Ziel der Queer-Theorie
Anders als Hieke sieht Schwienhorst-Schönberger auch eine Gefährdung der traditionellen Familie durch Gender-Theorien als plausibel an. Das ließe sich auch in der Literatur aus der queeren Bewegung heraus selbst nachlesen, wo unter Bezug auf kritische und marxistische Theorie eine Aufhebung der Familie befürwortet und eine "Überwindung einer hegemonialen heteronormativen Matrix in allen Bereichen der Gesellschaft" angestrebt werde: "Man wird es der Kirche doch wohl nicht verübeln dürfen, wenn sie andere Ziele verfolgt und dafür auch gute Argumente in Anschlag bringen kann."
Ludger Schwienhorst-Schönberger war bis zu seiner Emeritierung 2022 Universitätsprofessor für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Universität Wien. 2021 wurde er mit dem Joseph-Ratzinger-Preis ausgezeichnet. Der Deutsche gilt als einer der führenden Experten für die Weisheitsbücher der Bibel und für das alttestamentliche "Hohelied". In der Debatte um die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare äußerte er sich gegen eine Begründung aus der Bibel. Als Gutachter im Volksverhetzungs-Prozess gegen den Bremer Pastor Olaf Latzel sah er dessen Positionen zu Homo- und Transsexualität als von der Bibel gedeckt an.
In der vergangenen Woche hatte die Ansprache des Apostolischen Nuntius Nikola Eterović bei der Eröffnung der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für Debatten gesorgt. Eterović hatte geklagt, dass das biblische Bild vom Menschen inzwischen auch in manchen Kreisen der Kirche in Vergessenheit geraten sei, während sich ein davon abweichendes, "teilweise sogar gegenteiliges Bild vom Menschen und seinem Wesen" durchsetze. Das Menschenbild entwickelte der Nuntius dabei aus dem biblischen Schöpfungsbericht. Die Aussage traf auf scharfen Widerspruch durch den Essener Generalvikar Klaus Pfeffer, der von einer verletzenden Attacke sprach. Der DBK-Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, ging in der Abschlusspressekonferenz der Vollversammlung auf Eterović ein. Laut Bätzing haben die Bischöfe den Nuntius in einer Aussprache darauf hingewiesen, "dass sowohl neue Erkenntnisse der Biowissenschaften als auch soziale Erkenntnisse in die bisher dominierenden klassischen Perspektiven zu integrieren seien, um Menschen heute erreichen zu können". Die von ihm verwendeten "harten Sprachbilder" seien nicht geeignet, um in einer sich verändernden Mitwelt gesprächsfähig zu bleiben. In diesem Sinn hätten sich die Bischöfe auch in der Synodalversammlung erklärt. (fxn)