Schweizer Synodale plädiert für Gewaltenteilung in der Kirche
Helena Jeppesen-Spuhler, weibliches Schweizer Mitglied der Weltbischofssynode im Vatikan, plädiert für eine konsequente Gewaltenteilung in der katholischen Kirche. Dies sei eine Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal, sagte sie in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Rom. "Missbrauch kann nur dort systematisch vertuscht werden, wo es unkontrollierte Macht gibt. Deswegen plädiere ich ganz klar für Gewaltenteilung", so die Schweizerin.
Das Thema Synodalität, also eine Kultur der gemeinsamen Beratung in der Kirche, über die die Weltbischofssynode derzeit im Vatikan diskutiert, habe mit Teilung der Macht zu tun. Es gehe darum, wer entscheidet und wer einen Bischof beaufsichtigt.
"Für eine Kirche, die niemanden ausschließt"
Für die Zukunft plädierte Jeppesen-Spuhler "für eine Kirche, die niemanden ausschließt, unabhängig von geschlechtlichen oder sexuellen Orientierungen. Und dafür, dass es in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Regeln geben kann. Es muss nicht alles einheitlich sein, und man kann trotzdem als eine weltweite katholische Kirche zusammenbleiben".
Diskriminierung in der Kirche wird ihrer Meinung nach bei der Versammlung im Vatikan ein umstrittenes Thema werden. "Da geht es einmal um den Ausschluss von Frauen aus bestimmten Positionen. Und es geht um den Umgang mit queeren Menschen. Das wird sehr kontrovers!" Jeppesen-Spuhler kündigte an, dass sie bei der Synode und am Rande der Debatten auch den Dialog mit Konservativen suchen werde.
Am Donnerstag tagte die Synode erstmals in Arbeitsgruppen. Die 35 sogenannten circuli minores wählten zunächst je einen Berichterstatter und einen Schriftführer. Dann sprachen die Teilnehmer über ihre bisherigen Erfahrungen mit dem weltweiten synodalen Prozess.
Dieser hatte in vielen Ländern bereits 2021 in den einzelnen Bistümern und Ordensgemeinschaften begonnen. Anfang 2023 waren in sieben kontinentalen Versammlungen die unterschiedlichen Ergebnisse zusammengetragen worden. Diese wiederum mündeten in das Arbeitspapier der jetzt in Rom tagenden weltweiten Synode. An ihr nehmen 365 stimmberechtigte Personen teil, darunter erstmals auch 54 Frauen.
In den Arbeitsgruppen am Donnerstag hatte jeder einzelne Teilnehmer etwa vier Minuten Zeit, von seinen Erlebnissen zu berichten. Am Vorabend hatte der polnische Kardinal Grzegorz Rys bereits einen derartigen Bericht vor laufenden Kameras abgegeben und dabei interessante Einblicke in die Debatten in seinem Bistum gegeben.
Klerus sei oft zu weit von Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt
Unter anderem hatten sich dort Katholiken darüber beschwert, dass die Kirche in einer für sie weitgehend unverständlichen Sprache spreche. Ferner kritisierten sie, dass der Klerus oft weitgehend abgehoben von der Lebenswirklichkeit der Menschen sei.
Anhand von acht Leitfragen diskutierten die Arbeitsgruppen am Donnerstagnachmittag, wie die Debattenkultur in der katholischen Kirche vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen verbessert werden kann. Einer dieser Fragenkomplexe lautet: "Welche Spannungen waren besonders stark? Wie haben wir versucht, das so zu regeln, dass es nicht explodierte? Wie bewerten wir diese Erfahrung? Welche Hinweise ziehen wir daraus, um in der Fähigkeit zu wachsen, Spannungen so zu regeln, dass wir nicht von ihnen erdrückt werden?"
Für Freitag waren am Vormittag und am Nachmittag jeweils Debatten im Plenum der Synode vorgesehen. Der Vatikan informiert die Medien durch Briefings seines Kommunikationsdirektors Paolo Ruffini über den Verlauf der Debatten. Direktübertragungen sind nur an wenigen Punkten geplant, die Teilnehmer sind zur Diskretion verpflichtet.
Unterdessen forderten Laienseelsorger mehr Teilhabe in der katholischen Kirche. "Wir hoffen auf eine Kirche der Beteiligung, der Mitverantwortung, der Mitentscheidung und der gegenseitigen Ermächtigung", heißt es in einem am Donnerstag in Rom vorgestellten Brief von Theologinnen und Theologen, die weltweit in Gemeinden arbeiten. Bestehende Strukturen müssten überdacht und die Bedeutung der Laien in der Kirche hervorgehoben werden.
"Der Klerikalismus ist eine Bedrohung für eine synodale Kirche und hat zu einem Machtmissbrauch geführt, der Beziehungen beeinträchtigt und geschädigt und die Laien von der Teilnahme und den Diensten abgehalten hat", steht zudem in dem Brief. Zusammen mit einer patriarchalen Mentalität habe Klerikalismus Frauen und Angehörigen sexueller Minderheiten (LGBTQ) große Herausforderungen aufgebürdet. Frauen fühlten sich auch ausgegrenzt, wenn es um den Zugang zur theologischen Ausbildung und um Arbeitschancen in der Kirche gehe.
Brief richtet sich an rund 450 Synodenteilnehmer
Der Brief richtet sich an die rund 450 Teilnehmenden der Welt-Bischofssynode im Vatikan. Bis Ende Oktober beraten sie über neue Umgangsformen in der Kirche und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten auch für Laien. Bei den Debatten wird es unter anderem um eine Aufwertung der Rolle von Frauen und um Platz für LGBTQ gehen.
Der Brief ist im Zuge des ersten Welttreffens von Laien entstanden, die in der Seelsorge professionell tätig sind. Die Zusammenkunft in Rom mit 21 Teilnehmenden aus 12 Ländern hatte der Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands organisiert. (rom/KNA)
05.10., 19.15 Uhr: ergänzt um die unteren vier Absätze.