Müller: Desorientierung im kirchlichen Bereich durch Synodalen Weg
Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat seine Kritik am Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland erneuert. Er habe den Eindruck, dass durch die Reformdebatten "die Desorientierung in Deutschland im kirchlichen Bereich gestiegen ist und dass statt einer inneren Versöhnung und einem gemeinsamen Wirken mehr eine ideologische Spaltung aufgetreten ist", sagte Müller am Samstag in einem interview der "Rheinischen Post" in Düsseldorf. Zudem warf der 75-Jährige Teilen des deutschen Katholizismus "häretische Positionen" vor: "Katholisch ist am Ende nicht so das gemeinsame Vielfache von entgegengesetzten Positionen und Meinungen. Wenn wir also ähnliche Positionen vertreten wie die Grünen in der Klimadiskussion, dann bekommen wir vielleicht Beifall in den Medien, kommen mit der eigentlichen Mission der Kirche aber nicht weiter, nämlich der Verkündigung des Evangeliums Christi."
Umgang mit Gänswein "keine Reklame für die katholische Soziallehre"
Müller beschuldigte die Befürwortern von Reformen in der Kirche zudem, einen politischen Reformbegriff auf die Kirche übertragen zu wollen. "Das mutet so an, als ob die Kirche sozusagen hinter der Aufklärung, hinter der Religionskritik, hinter der modernen Welt zurückgeblieben wäre. Und jetzt müssten wir sozusagen das Ganze umformen nach unserem Gusto", sagte der Kardinal. Man komme aber nicht weiter, wenn man die Kirche mit einer politischen Bewegung vergleiche, die ihr Parteiprogramm jeweils nach den Erfordernissen und Bedürfnissen ihrer Wähler ausrichte. Zudem könne man politische Systeme wie die Demokratie oder die Monarchie nicht auf die Kirche übertragen, "weil die Hierarchie nicht irgendwie eine autoritäre Herrschaft der Bischöfe in der Kirche ist, sondern ein Dienst am Volk Gottes im Namen Christi". Die Kirche habe nicht das Volk als Souverän, "sondern Gott ist der Souverän des von ihm erwählten Volkes", so Müller.
Der Kardinal beklagte weiter den Umgang mit Erzbischof Georg Gänswein, der "keine Reklame für die katholische Soziallehre" gewesen sei. Nachdem Gänswein 28 Jahre an der Kurie und besonders Papst Benedikt XVI. treu gedient habe, "gehört es sich nach christlichen Geboten und nach menschlichem Anstand, dass ihm eine würdige Aufgabe in der Kirche gegeben wird". Er glaube, so Müller, dass in dem Fall außer der menschlich gesehen unmöglichen Behandlung auch die ekklesiologische Dimension des Bischofsamtes nicht beachtet worden sei. "Der Bischof ist Mitbruder des Papstes im Bischofsamt und nicht sein Angestellter. Auch ein Bischof kann nicht willkürlich vom Papst abgesetzt und versetzt werden", erklärte der Kardinal. Gänswein hatte Benedikt XVI. bis zu dessen Tod an Silvester 2022 als Privatsekretär gedient. Im Juni dann hatte Papst Franziskus den 67-Jährigen in sein Heimaterzbistum Freiburg zurückgeschickt. Dort hat er bislang keine feste Aufgabe zugeteilt bekommen.
Müller: Keine Entscheidung des Papstes im Fall Woelki gefragt
Mit Blick auf die Zukunft von Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki äußerte Müller in dem Interview die Überzeugung, dass keine Entscheidung des Papstes gefragt sei: "Weil Kardinal Woelki sich nichts hat zuschulden kommen lassen, woraufhin etwa eine kanonische Untersuchung oder ein kanonisches Gerichtsverfahren in Gang gesetzt werden müsste." Ein Bischof sei kein Minister, der dem Bundespräsidenten seinen Rücktritt anbiete. "Bischöfe werden nicht vom Papst ernannt in diesem Sinne des Wortes. Bischöfe werden von Christus berufen, und der Papst erkennt eigentlich nur nach einem bestimmten Verfahren die Auswahl der Gremien – in der Ortskirche und der Bischofskongregation – an", sagte der Kardinal. Im Zuge der anhaltenden Vertrauenskrise im Erzbistum Köln hatte Woelki dem Papst Anfang 2022 auf dessen Bitte hin ein Rücktrittsgesuch vorgelegt. Über dieses hat das Kirchenoberhaupt bislang aber noch nicht entschieden.
Kardinal Müller gehört auch zu den aus Deutschland berufenen Teilnehmern der derzeit im Vatikan tagenden Weltsynode der Bischöfe. Von 2012 bis 2017 stand er als Präfekt der vatikanischen Glaubensbehörde vor. Franziskus verlängerte seine Amtszeit nach fünf Jahren nicht, berief ihn aber 2021 zum Richter an die Apostolische Signatur, dem höchsten Kirchengericht. (stz)