Standpunkt

Die angebrochene Gegenwart der Kirche? Schaut nach Osten!

Veröffentlicht am 10.10.2023 um 00:01 Uhr – Von Valerie Judith Mitwali – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Wahlen in Bayern und Hessen haben gezeigt, dass der Osten beiden Bundesländern voraus war, kommentiert Valerie Judith Mitwali. Das gleiche gelte für die Kirche – und die Entwicklung habe längst begonnen.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Alle Jahre wieder geht es am 3. Oktober um Ostdeutschland. Eine Woche später ist das längst vorbei: Nach dem Wahlsonntag stehen Bayern und Hessen im Mittelpunkt. In seinem gestrigen Standpunkt konstatierte Steffen Zimmermann: "Die AfD darf nicht länger als Protestpartei oder 'ostdeutsches Problem' kleingeredet werden." Der vermeintlich rückständige Osten war hier offensichtlich diesen beiden Bundesländern voraus. Höchste Zeit, dass sich auch die katholische Kirche in Deutschland ehrlich macht.

Der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel betont die unterschiedlichen Voraussetzungen zwischen ost- und westdeutschen Bistümern. Und doch erkennt auch er "eine Anpassung des Westens an die säkularisierten Verhältnisse im Osten". Beim vielfältigen kirchlichen Leben in Ostdeutschland handelt es sich weder um ein verstaubtes DDR-Relikt noch um ein billiges Abziehbildchen für westdeutsche Kaffeesatzleserei. Vielmehr ist es Teil einer gemeinsamen gesamtdeutschen Entwicklung, deren Dynamik uns alle längst erfasst hat.

Es geht um nicht weniger als die Frage, wie Kirche-Sein in einer postchristlichen Gesellschaft gelingen kann. Wer ist überhaupt noch da in den zusammengelegten Großpfarreien? Allein im Bistum Magdeburg ist ein zweistelliger Prozentanteil aus Westdeutschland zugezogen. Vor allem aber: Die Kirche in der deutschen Diaspora ist eine migrantische Kirche. Ob sich daraus ein echtes Miteinander entwickelt, wird sich auch an der Frage entscheiden, inwieweit Katholiken unterschiedlicher Traditionen Anerkennung erfahren. Das fällt auch jenen, die sich einem progressiven Katholizismus zugehörig fühlen, häufig schwer.

Mehr Aufmerksamkeit verdient schließlich auch die Machtfrage, welche nur unter dem Begriff "Dienst" debattierbar erscheint. Gerade in Ostdeutschland prägen neue geistliche Bewegungen bereits jetzt den Transformationsprozess. Viele ihrer Mitglieder, die jetzt in Priesterseminaren sind, werden später Leitungspositionen auf Bistumsebene innehaben. Keimzelle der Neuevangelisierung oder unverhältnismäßige Dominanz? Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.

Von Valerie Judith Mitwali

Die Autorin

Valerie Judith Mitwali ist Redaktionsmitarbeiterin bei katholisch.de und promoviert an der Ruhr-Universität Bochum in systematischer Theologie.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.