Um die Spirale der Gewalt zu beenden, muss man einen Satz verlernen
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Auch sechs Tage nach dem Angriff der islamistischen Hamas aus dem Gazastreifen heraus auf Israel zerreißen einem die Bilder und Geschichten des terroristischen Überfalls das Herz, immer wieder. Junge Menschen, die in der Wüste Musik hören und tanzen wollten, Männer, Frauen, Kinder in Kibbuzim unweit der Grenze, Menschen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren – sie alle wurden auf teils bestialische Weise ermordet. Der Hamas ging es nicht um die Menschen in Gaza in ihrer Not und ihrem Leid. Ihr ging es darum, möglichst viele Juden zu töten, ihren Führungsanspruch in den Palästinensergebieten insgesamt zu dokumentieren, den Geldgebern in Iran und Katar eine furchtbare Art von Leistungsnachweis zu erbringen. Menschen sind der Hamas egal.
Kann man das nicht einfach so sagen und stehen lassen? Die Relativierungen, die bei manchen Gruppen in Deutschland derzeit auf den Terror folgen, sind über die Untaten hinaus erschütternd – auch jenseits der Terrorverherrlichung des palästinensischen Netzes "Samidoun". Da wendet sich der Zentralrat der Muslime nach einer Floskel des Bedauerns der Gewalt der Siedler gegen Palästinenser zu. Da schreibt der "Bundesausschuss Friedensratschlag", der Angriff "füllt die Schlagzeilen", als sei der tausendfache Mord eine Erfindung der Medien, um dann zu erklären, dass eigentlich Israel mit seiner Besatzungpolitik schuld am Angriff ist; ein Mitleid mit den Ermordeten fehlt hier ganz, vielleicht ist das auch nur ehrlich so. Und wenn Mitri Raheb, der evangelische Pfarrer von Bethlehem, schreibt, "das Verlangen der Freiheit" der Palästinenser sei "stärker als der kolonialistische Sicherheitsstaat" Israel, dann betreibt er, ob er will oder nicht, die Propaganda der Hamas, die die Menschen in Gaza als Schutzschilde missbraucht.
Sowas kommt von sowas – das ist der Motor, der die Spirale der Gewalt sich immer weiterdrehen lässt. Der Satz nivelliert die Gewalt, lässt sie beliebig erscheinen, als quasi natürliche und verständliche Reaktion auf vorangegangene Gewalt. Die israelische Armee kann ihn sagen, wenn sie nun – über die legitime und notwendige Bekämpfung des Terrors hinaus – den Gazastreifen von Strom und Wasser trennt. Die rechtsextrem-militanten israelischen Siedler können ihn sagen, wenn sie nun die Dörfer der Palästinenser heimsuchen, um Rache zu nehmen. Und die Hamas ihn dann in der nächsten Runde ihres Mordens. Wer will, dass diese Spirale irgendwann einmal stillsteht, muss diesen Satz verlernen.
Der Autor
Matthias Drobinski ist Chefredakteur der Zeitschrift "Publik-Forum".
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.