Apostolisches Schreiben: Papst will Neuausrichtung der Morallehre
Zur Halbzeit der Weltsynode im Vatikan hat Papst Franziskus eine Neuausrichtung der christlichen Morallehre gefordert. In einem am Sonntag veröffentlichten Päpstlichen Mahnschreiben betont er, die Liebe sei der eigentliche Kern der christlichen Botschaft; die Kirche müsse ihre Lehre danach ausrichten. Wörtlich schreibt Franziskus: "Das Zentrum der christlichen Moral ist die Liebe (...) die Werke der Nächstenliebe sind der vollkommenste Ausdruck der inneren Gnade des Geistes. Am Ende zählt nur die Liebe."
Die Kirche müsse sich in ihrer Verkündigung auf das Wesentliche konzentrieren, so der Papst. Zur Begründung schreibt er: "Nicht alles ist gleichermaßen zentral; denn es gibt eine Ordnung oder Hierarchie unter den Wahrheiten der Kirche. Und das gilt sowohl für die Glaubensdogmen als auch für die gesamte Lehre der Kirche, einschließlich der Morallehre."
Anlass des am Sonntag veröffentlichen Schreibens ist der 150. Geburtstag der französischen Heiligen Therese von Lisieux (1873-1897). Sie hatte in ihren Schriften die überragende Bedeutung der Liebe für den christlichen Glauben betont. Das Schreiben des Papstes trägt nach einem Zitat der Heiligen den französischen Titel "C'est la confiance"; der deutsche Titel lautet "Das Vertrauen". Veröffentlicht wurde das Schreiben am Gedenktag der Heiligen Theresa von Avila.
"Dazu brauchen wir Kühnheit und innere Freiheit"
An die Theologen und Ethiker in der Kirche richtet der Papst in dem Schreiben die Aufforderung: "Wir müssen diese geniale Einsicht Thereses noch erfassen und die theoretischen und praktischen, lehrmäßigen und pastoralen, persönlichen und gemeinschaftlichen Konsequenzen daraus ziehen. Dazu brauchen wir Kühnheit und innere Freiheit."
Die Französin Therese von Lisieux zählt zu den populärsten Heiligen der katholischen Kirche. Schon als 15-Jährige erfüllte sich für die gebürtige Marie-Francoise-Therese Martin ihr Lebenswunsch: Sie trat in den strengen Karmel der normannischen Stadt Lisieux ein und suchte nach der Heiligung des alltäglichen Lebens.
Von eigenwilliger Persönlichkeit, ertrug sie die Erniedrigungen im Kloster, Unverständnis ihrer Mitschwestern, Angstzustände und Depressionen. Ihre autobiographische "Geschichte einer Seele", die von der christlichen Mystik geprägt ist und nach ihrem frühen Tod durch Tuberkulose veröffentlicht wurde, erreichte sofort Millionenauflagen. 1923 wurde Theresia selig- und 1925 heiliggesprochen. 1997 – zu ihrem 100. Todestag – ernannte Papst Johannes Paul II. sie zur Kirchenlehrerin. (cbr/KNA)