Pfarrer Alexander Bergel über das Sonntagsevangelium

Einmal selbst in den Spiegel schauen

Veröffentlicht am 21.10.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Osnabrück ‐ In diesem Sonntagsevangelium geht es nach einer Frage der Pharisäer an Jesus vordergründig um Steuern. Vielmehr steht aber eigentlich im Fokus, dass uns Jesus einen Spiegel vorhält, schreibt Pfarrer Alexander Bergel.

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Steuern sind eine heikle Sache. Das war schon immer so. Und es wird so bleiben. Aber dieses Fass mache ich heute nicht auf. Denn die Pharisäer sprechen das eher sensible Thema zwar an, am Ende geht es aber um etwas ganz anderes. Nicht um die Frage, ob Gott an erster Stelle steht oder der Kaiser – nein, sie wollen Jesus austricksen, wollen ihn mit ihrer Frage aufs Glatteis locken und hoffen, dass es unter ihm zerbricht. Nur warum? Vermutlich, weil sie sich von Jesus infrage gestellt und gefährdet fühlen, von ihm und seiner Art zu leben. Was für ein engstirniger, intriganter Haufen!

Sicher, es ist einfach, zu diesem Schluss zu kommen. Doch genau darin liegt auch eine große Gefahr. Die Gefahr nämlich, das Zerrbild einer religiösen Gruppe zur Zeit Jesu zu zeichnen – und darin dann "den" Juden zu erkennen, "den" Juden, der von Anfang an darauf aus war, den Gottessohn ans Messer zu liefern. In welche Abgründe ein solches Denken geführt hat, wissen wir. Wir spüren dieses tödliche Gift bis heute, wenn es immer wieder und immer öfter und immer unverblümter heißt: "Die" Juden sind, "die" Juden haben, "die" Juden machen. Nein, "die" Juden gibt es überhaupt nicht! Und selbst wenn es sie gäbe (Achtung: Konjunktiv!) – dem Evangelium geht es um etwas ganz anderes! Jesus hält in dieser Szene allen, die die Geschichte hören, einen Spiegel vor. Kurz: Er hält uns einen Spiegel vor. Einen Spiegel, den die Pharisäer in ihren Händen tragen. Und in diesen Spiegel blicken wir nun hinein.

Wer das tut, sieht sich mit Fragen konfrontiert: Wie ist das eigentlich, wenn ich mich angefragt fühle? Werde ich unsicher? Oder hart und abweisend? Gehe ich gleich in Verteidigungsstellung oder zum Gegenangriff über? Oder kann ich Fragen zulassen, wirklich an mich heranlassen und dann eine ehrliche Antwort geben? Und weiter: Bin ich vielleicht selbst jemand, der andere durch unlauteres Fragen provozieren will? Ist mein Fragen respektvoll? Oder eher lieblos? Und noch weiter: Wenn ich respektloses Fragen mitbekomme, wie verhalte ich mich dann? Ziehe ich mich zurück und verstecke mich? Oder beziehe ich Position? Bin ich frei genug, mit Jesus zu fragen: Warum stellt ihr mir eine Falle? Möchte ich zu den Gründen und Wurzeln der Fragen vordringen? Oder will ich das alles lieber gar nicht so genau wissen?

Zugegeben, ganz schön viele Fragen auf einmal. Die lassen sich auch nicht in zwei, drei Minuten beantworten. Vielleicht machen sie aber doch ein bisschen sensibel. Wenn wir diskutieren und einander hinterfragen. Wenn wir eine Meinung haben oder erst noch eine finden müssen. Wenn wir miteinander und nicht selten auch aneinander leiden.

Jesus hält uns einen Spiegel vor. Wie so oft. Dort hineinzublicken – in mein eigenes Leben also –, das erfordert Mut. Denn es könnte zur Folge haben, dass ich was ändern muss …

Evangelium nach Matthäus (Mt 22,15–21)

In jener Zeit kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen.

Sie veranlassten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Herodes zu ihm zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, dass du die Wahrheit sagst und wahrhaftig den Weg Gottes lehrst und auf niemanden Rücksicht nimmst, denn du siehst nicht auf die Person.

Sag uns also: Was meinst du?
Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?

Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum versucht ihr mich?
Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt!

Da hielten sie ihm einen Denár hin.
Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das?
Sie antworteten ihm: Des Kaisers.

Darauf sagte er zu ihnen:
So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!

Der Autor

Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.

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